Spiegel-Konterrevolution erfolgreich: Lang lebe die Beteiligungsgesellschaft

Glosse

Um 14:32 Uhr trudelte am 4. Dezember 2014 die offizielle Pressemeldung vom Spiegel-Verlag bei medienmilch.de ein: Chefredakteur Büchner geht, Saffe legt die Geschäftsführung des Verlags nieder. Ein Blick auf die Besitzverhältnisse der Spiegel-Gruppe erklärt diese erfolgreiche Konterrevolution:

"Im gegenseitigen Einvernehmen" soll Wolfgang Büchner (48), seit 2013 Chefredakteur von Spiegel und Spiegel Online, den Verlag bereits zum 31. Dezember 2014 verlassen. Über die Nachfolge würde bereits in Kürze entschieden werden. Der ebenfalls spätestens bis Mitte des nächsten Jahres in dieser Position scheidende Spiegel-Geschäftsführer Saffe: "Wolfgang Büchner hat das Nachrichten-Magazin mit neuem Layout und neuen Formaten und mit der Ausrichtung auf den Erscheinungstermin Samstag erfolgreich weiterentwickelt. Mit Spiegel 3.0 hat er ein Digitalisierungskonzept vorgelegt, das die Weichen stellt für notwendige Veränderungen beim Spiegel und bei Spiegel Online."

Weichen gestellt für die "notwendigen Veränderungen"? Definitiv nicht, das klingt eher wie bittere Ironie: Der Kampf zwischen den alteingesessenen Print-Kollegen, die viel Macht und wohl auch Einkommen durch die geplante Transformation zu einer Zentralredaktion Online/Print verloren hätten und den "jungen wilden" Online-Kollegen, die damit an die Tröge der Macht und wohl auch des höheren Einkommens gekommen wären, ist zugunsten der "Traditionalisten" entschieden.

Die Gründe für die "Niederlage" von Büchners ambitionierten Plänen, deren wirtschaftliche Folgen für die Gesamtbelegschaft in der Öffentlichkeit nicht bekannt sind, sind schnell in der Organisation des Verlages zu finden: 50 Prozent des Spiegel-Verlages gehören der Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für Spiegel-Mitarbeiter mbH & Co. Rund 760 der fast 1200 Mitarbeiter (Stand: 2013) profitieren nach diesem einzigartigen Modell auch von den Gewinnen des Verlages, die anderen Redakteure nicht. Sie bekommen "nur" ihr Gehalt. Wie viel das ist? Wie groß der Unterschied zwischen Print- und Online-Kollegen ist? Wie hoch die Prämien für  die "Gleicheren unter den Gleichen" in Erfolgsjahren sind? Tja, frag doch mal Onkel Google. Und wenn du seriöse Zahlen dazu von ihm (oder einer anderen tollen Online-Quelle) bekommst, melde dich bitte damit sofort bei medienmilch.de.

Auch wie viele der angeblich ca. 150 Spiegel-Online-Redakteure überhaupt "Mitglieder" in dieser exklusiven Beteiligungsgesellschaft sind, ist nicht bekannt. Viele sollten es aber wohl nicht sein, den der Kuchen ist nun einmal bereits unter Print verteilt und die SpiegelNET GmbH, alleiniger Eigentümer der Spiegel Online GmbH, gehört nun mal zu 100 Prozent dem Spiegel-Verlag und damit zu 50 Prozent den alteingesessenen Print-Redakteuren und nicht diesen aufstrebenden Online-Fuzzis. 

Die Schlacht ist also entschieden, Büchner geht. Und die Moral von der Geschichte? Beteiligungsgesellschaften sind gut, solange es keine neuen Massenmedien gibt, die darin nicht berücksichtigt werden. Aber Vorsicht: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Büchner beim Spiegel doch noch durchsetzt. Denn langfristig sind alle reinen Print-Redakteure tot. Leider, oder?