Neuer Rundfunkbeitrag - eine weitreichende Lizenz zum Schnüffeln?

Interview

Ab 2013 wird es in Deutschland keine Rundfunkgebühr mehr geben, sondern einen Rundfunkbeitrag. Was ändert sich dadurch bei der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien, mit welchen Folgen? medienmilch.de fragte dies Bernd Höcker, einen der bekanntesten Kritiker der Rundfunkgebühr:

Herr Höcker, für den Laien: Was ändert sich 2013 für die Nutzer der öffentlich-rechtlichen Sender bzw. alle Bundesbürger?

Bernd Höcker:
Kurz gesagt: Bis zum 31.12.2012 müssen lediglich all jene Menschen eine sog. Gebühr an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bezahlen, die ein herkömmliches oder neuartiges Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit halten. Ab dem 1.1.2013 müssen alle Menschen an die Öffentlich-Rechtlichen Geld bezahlen, die eine Wohnung haben. Dieses Geld wird dann nicht mehr „Rundfunkgebühr“ genannt, sondern „Rundfunkbeitrag“. Die Paragrafen dazu findet man im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV). Der jährliche Beitrag kostet dann soviel wie die heutige Fernsehgebühr, also 215,76 Euro.

Sie sind einer der bekanntesten Kritiker des bestehenden GEZ-Systems: Darf man sie also beglückwünschen, dass dieses bald Vergangenheit ist? Werden Sie damit ab 2013 "überflüssig"?

Bernd Höcker:
Ich glaube eher, dass ich noch mehr Arbeit bekommen werde! Ich greife ja auch nicht in erster Linie die GEZ an, sondern das Finanzierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als ganzes. Meine Kritik richtet sich daher auch und vor allem gegen unsere Volksvertreter, die uns diese katastrophalen Gesetze vorsetzen; gegen die Gerichte, die aus schlechten Gesetzen eine noch schlechtere Rechtsprechung herauszaubern und gegen die Rundfunkanstalten, die hemmungslos von dieser Situation Gebrauch machen. Der neue Rundfunkbeitrag, der wegen seiner völligen Unabhängigkeit von Rundfunkgeräten auch volksmundig „Haushaltsabgabe“ oder „Kopfpauschale“ genannt wird, ist noch weitaus ungerechter, als die gute alte Rundfunkgebühr.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die Nachteile an der neuen GEZ-Kopfpauschale, wo die Vorteile?

Bernd Höcker:
Ein Stichwort ist Rechtsunsicherheit: Es beginnt bereits mit dem Begriff der „Wohnung“. Wohnungen sind ja für Privatleute der entscheidende Tatbestand für die Beitragspflicht. Der Begriff wird in § 3 RBStV wie folgt definiert: „Wohnung“ ist „jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird...“. Entscheidend sind hier die beiden „Oder“. Zum Schlafen „geeignet“ ist zum Beispiel auch ein Geräteschuppen. Dann kritisieren die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder die unverhältnismäßig weitreichenden Möglichkeiten der Rundfunkanstalten, Daten zu beschaffen, zu verwerten und zu verwalten. Die GEZ darf sowohl vom betroffenen Bürger, als auch von öffentlichen Stellen sowie von privaten Datenanbietern Daten beschaffen. Und das ausdrücklich „ohne Kenntnis des betroffenen Bürgers“. Diese Daten dürfen in einer bundesweiten Datenbank zusammengefasst werden. Die GEZ verfügt dann über die umfangreichste Datenbank aller Bürger und Firmen, die es in Deutschland gibt. Jetzt wollen sie etwas über die Vorteile wissen? Mir liegt ein Propagandaschreiben von RBB, ZDF und Deutschlandradio an den Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses vor. Enthalten sind abstruse Rechen- und Fallbeispiele, die zum Teil durch die tatsächliche Rechtslage überhaupt nicht gedeckt sind oder zumindest in Zweifel gezogen werden können. Einen faktischen Vorteil sehe ich darin, dass Kraftfahrzeuge einer Firma nicht mehr unbedingt alle beitragspflichtig sein werden, sondern dass dies gestaffelt geschieht. Es gibt nur ganz wenige Fallgruppen, wo sich die Situation für Bürger oder Firmen verbessert.

Fachleute fordern eine gesellschaftliche Diskussion über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und über die Akzeptanz des neuen Rundfunkbeitrages, je eher, desto besser. Wie sehen Sie das? Welche Aspekte sollte eine solche Diskussion haben?

Bernd Höcker:
Ich habe während der Recherche zu meinem neuen Buch einmal mit den Zahlen gespielt, die man so über die Gagen und Gehälter der Fernsehleute liest. Beispielsweise Harald Schmidt mit seinen jährlichen neun Millionen Euro bekommt damit 39 mal so viel wie ein Bundeskanzler. Hochgerechnet bekommt er so viel wie alle 27 EU-Regierungschefs zusammen plus noch mal neun Bundeskanzlergehälter. Anders gerechnet: Er bekommt so viel Geld wie 390 ausgebildete Altenpfleger/innen, die dafür Tag und Nacht Schwerstarbeit leisten müssen. Diese Großmannssucht muss ein Ende haben! So geht man meines Erachtens nicht mit zwangsweise eingetriebenem Geld um! Bezahlen müssen das übrigens auch die Ärmsten der Armen, weil es keinen Befreiungstatbestand des geringen Einkommens gibt. Über das Programm haben wir ja schon mal in einem früheren Interview gesprochen. Es sollte sich im wesentlichen auf Schulfunk für Schüler, Telekollegs zur beruflichen Weiterbildung und Deutschkurse für Migranten beschränken. Momentan wird die Medienvielfalt durch die Quasi-Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark eingeschränkt.

Bei denen, die öffentlich-rechtliche Angebote kaum oder gar nicht nutzten, wird es sicherlich Proteste geben, wenn der Beitrag ab 2013 erhoben wird. Wie schätzen Sie dieses Konfliktpotenzial ein?

Bernd Höcker:
Keine Ahnung. Ich dachte damals, als 2007 die vollkommen absurde Gesetzgebung in Kraft trat, für E-Mail-Knechte und Mobiltelefone Rundfunkgebühren bezahlen zu müssen, dass dies zu einem zivilen Ungehorsam und zu Widerstand in der Bevölkerung führen würde. Aber kaum etwas geschah. Mit uns Deutschen kann man eben viel machen. Mal gucken, was jetzt passiert. Ich bin sehr gespannt!

Die GEZ stellt komischerweise für die neue GEZ-Kopfpauschale mehr Mitarbeiter ein und wird zusätzliche Dienstleister beauftragen, um die "Unmengen von Daten" abgleichen zu können. Was halten Sie davon?

Bernd Höcker:
Das ergibt sich aus dem neuen Gesetz. Es ist viel mehr Kontroll-Einsatz notwendig, um die Beitragstatbestände vor Ort zu überprüfen, als bisher. Das neue Gesetz bietet den Anstalten zudem eine viel weitreichendere Lizenz zum Schnüffeln.

Welches sind Ihre weiteren Pläne in Bezug auf die neue GEZ-Kopfpauschale? Würden Sie im Rahmen einer möglichen Informationskampagne zur neuen GEZ-Kopfpauschale mitwirken, wenn sie eingeladen werden?

Bernd Höcker:
In meinem neuen Buch „Erfolgreich gegen den Rundfunkbeitrag 2013“ informiere ich bereits sehr umfangreich über die neue Abgabe und biete 25 Gegenmaßnahmen dazu an.

Das Interview mit Bernd Höcker führte Oliver Hein-Behrens.