Ein Blogger in Japan

Interview

Der Schweizer Reiseleiter und Blogger Thomas Köhler hat sich viel vorgenommen: Er wandert aktuell von Norden nach Süden durch ganz Japan. Für medienmilch.de fand er trotzdem Zeit, einige Fragen zu seinem Projekt zu beantworten.

Seit dem 1. August 2011 wandern Sie entlang der Westküste von Norden nach Süden durch ganz Japan eine Strecke von ca. 2500 Kilometer ab und schreiben darüber täglich in Ihrem Blog "Zu Fuß durch Japan" (www.japanfenster.ch/japantrip/). Wie geht es Ihnen und Ihren Füßen?

Thomas Köhler:
Meinen Füssen geht es soweit gut, ich habe mich in den Schweizer Bergen auch sehr gut vorbereitet. Zudem bin ich Marathonläufer (schon über 40 Marathon gerannt) und weiß in etwa, wie weit ich gehen kann. Ich höre auf meinen Körper und solange ich das tue ist alles im grünen Bereich. Natürlich ist es nicht zu verschweigen, dass am Abend auch manchmal die Füße/Beine schmerzen, aber am Morgen kann ich dann wieder schmerzfrei losgehen (sonst wäre ja was nicht gut).

Wie viele Kilometer haben Sie bereits hinter sich, wie viele noch vor sich? Wann wollen Sie am Ziel sein?

Thomas Köhler:
Grundsätzlich zähle ich keine Kilometer, denke aber, dass ich pro Tag im Durchschnitt so ca. 22 Kilometer mache. Die Leistung steht für mich nicht im Vordergrund, ich muss Spaß daran haben und möchte Japan helfen. Ich denke, dass es Ende Dezember oder eventuell Januar wird. Ich nehme es gemütlich und möchte ja noch tiefer Land und Leute kennenlernen.

Was sind die Gründe für Ihre Mammut-Wanderung? Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Blog?

Thomas Köhler:
Nach dem 11. März dieses Jahres wurde mir bewusst, dass der Zeitpunkt gekommen ist, diesem Land von dem ich auch so viel erhalten habe (natürlich kein Geld) auch etwas zurück zugeben. Ich war bei einer Reisefirma (in Zürich) für das Japan Touroperating verantwortlich. 95% (ca. 550 Kunden) unserer Kunden haben die Reise nach dem 11. März storniert. Ich hatte keine Arbeit und infolgedessen wurde mir gekündigt. Eine andere Firma kam für mich derzeit nicht in Frage und tatenlos rumsitzen und Arbeitslosengeld kassieren ist nicht mein Ding. So dachte ich über eine mögliche Hilfe für Japan nach und die erste Idee war, "geh durchs Land und mach Werbung".

Wie finanzieren Sie das Projekt?

Thomas Köhler:
Das Projekt finanziere ich aus meinem ersparten Geld, ich habe keine Sponsoren. Mit meiner Idee, dass ich alles selber finanziere und ein Hilfswerke mich als "Werkzeug" zum Gelderhalt für die Erdbeben- und Tsunami Opfer hätte "benutzen" können, kam ich nicht weit. Alle Hilfswerke sagten ab, zu großer Aufwand ...

Sie können Japanisch? Könnten Sie sich das Projekt auch ohne Sprachkenntnisse vorstellen?

Thomas Köhler:
Ja das ist richtig, ich kann mich gut in Japanisch verständigen. Das Projekt wäre möglich ohne japanische Sprachkenntnisse, aber nur sehr schwer und es würde zu einer enormen mentalen Belastung werden, wenn man sich vier oder fünf Monate nicht mit den Menschen unterhalten könnte. Auch das Finden der Übernachtungsorte wäre nicht ganz einfach. Das Reisen mit dem Zug hingegen geht ohne Probleme, denn das haben meine Kunden bewiesen die kein Japanisch sprechen. Aber durchs Land wandern, wäre wirklich nicht so einfach "nur" mit Englisch.

Wie haben Sie bisher die Stimmung in der japanischen Bevölkerung wahrgenommen? Welche Rolle spielt die Erdbeben- und Atomkatastrophe im täglichen Leben?

Thomas Köhler:
Die Japaner verarbeiten sehr schnell. Man ist guten Mutes und jeder gibt sein Bestes. Ich höre keine negativen Worte, ich höre immer wieder, wir müssen vorwärts schauen und neue Wege suchen und unser Bestes geben. Genau so ist Japan, einfach nie aufgeben und weiterarbeiten, als im Selbstmitleid versinken. Die Stimmung ist grundsätzlich gut, das Alltagsleben geht weiter.

Sind Sie mit der bisherigen öffentlichen Resonanz auf Ihren Blog bisher zufrieden? Wie viele Besucher hat Ihr Block? Wie viele E-Mails bekommen Sie täglich?

Thomas Köhler:
Mit dem Blog bin ich sehr zufrieden, d.h. seit dem ersten August habe ich mehr als 5500 Besucher und es werden immer mehr. Den Blog habe ich ohne Kommentare und E-Mail einrichten lassen, weil ich auch unmöglich Zeit hätte noch E-Mails oder Kommentare zu beantworten. Manchmal erreichen mich positive E-Mails über die Hauptpage www.japanfenster.ch.

Welche europäischen Klischees von Japan stimmen am wenigsten, welche schon?

Thomas Köhler:
Stimmen tun nicht die Klischees, dass Japaner überhaupt kein Englisch können oder dass man wegen der Katastrophe nicht mehr in Japan reisen kann. Auch ist Japan auch nicht mehr so teuer, wie immer noch viele behaupten. Klischees, die stimmen sind, das Japaner sehr gerne essen und das man in Japan vieles miteinander macht, das Japaner viel arbeiten und nur sehr wenig Ferien haben

Welche Frage wurde Ihnen bisher am häufigsten auf Ihrer Wanderung gestellt?

Thomas Köhler:
Woher kommen sie? Bis wohin gehen sie? Warum machen sie das? Warum sprechen sie Japanisch?

Eine Wanderfee erscheint und stellt Ihnen einen Wunsch frei: Wie würde er lauten?

Thomas Köhler:
Ich bin wunschlos glücklich, ich bin wirklich dankbar, dass ich gesund bin und in einem so schönen Land marschieren darf. Mein Wunsch wäre, dass es den Menschen die von der Katastrophe DIREKT betroffen sind, bald wieder besser geht. Ich habe gesehen was dieses Leute durchmachen müssen und wünsche ihnen viel Kraft und Zuversicht für die Zukunft.

Die Fragen an Thomas Köhler stellte Oliver Hein-Behrens.

Aktuelles zur Japan-Wanderung von Thomas Köhler findet man unter www.japanfenster.ch/japantrip/.