Digital Native bedeutet ja nicht, dass man nicht nach links und rechts schaut

Interview

Die neue Zeitschrift "Die Epilog" ist da. Sie beschäftigt sich mit Fragen wie: "Wie verändert sich unsere Gesellschaft, unsere Kultur? Geht überhaupt noch was, oder stecken wir längst fest, in alten Mustern – wiederholen nur noch längst Überholtes?" medienmilch.de wollte mehr dazu wissen und sprach mit dem Chefredakteur Fabian Ebeling.

 

Wie kam es zur Idee des Print-Projektes "DIE EPILOG"?

Unser Herausgeber Mads hatte schon lange die Idee, eine Zeitschrift zum Gesellschaftswandel zu machen. Als es dann auf das Ende des Studiums zuging, fehlten ihm nur noch die richtigen Mitstreiter. Nach einem recht kurzen Gespräch in einer von uns schwerlich vermissten Weimarer Kneipe, war klar, dass wir das zusammen machen. Mads hatte mit seiner Mitbewohnerin Viola schon die passende Gestalterin gefunden. Mit Yoshiko kam die perfekte Ergänzung für die Gestaltungsabteilung. Und Print musste es unbedingt sein. Darüber gab es nie eine Diskussion.

Wer ist Eure Zielgruppe? Doch wohl kaum die Digital Natives, oder?

Das mag vielleicht auf den ersten Blick eine paradox wirkende Kombination sein - Digital Natives und Print. Ist es aber unserer Auffassung nach absolut nicht. Digital Native bedeutet ja nicht, dass man nicht nach links und rechts schaut. Vielmehr sehen wir gerade in der technikaffinen jungen Generation ein interessiertes Publikum, das offen für alles mögliche ist. Und ich glaube, wenn man eine Zielgruppe definieren mag, dann sind das Menschen, die offen für verschiedene, vor allem auch fundierte Sichtweisen auf das tagtägliche Leben sind. Ich würde sagen, keiner betrachtet beispielsweise Twitter so, wie wir es in der EPILOG tun. Wir gehen der Technik wirklich auf den Grund, wo kommt sie her, was bringt sie mit, wie verändert sie unsere Welt – nicht nur: "wer hat gerade wieder peinliche Urlaubsfotos verbreitet?"

In der ersten Ausgabe beschäftigt Ihr euch mit "populären Untergangsszenarien der Medienöffentlichkeit" und dem Motto "Irgendwas
geht immer." Wie kam es dazu?


Man hört ja eigentlich immer von Krisen, instabilen Verhältnissen. Oftmals klingt das so, als stünde 'die Gesellschaft' immer und jederzeit auf der Kippe. Nun darf man unseren Ansatz nicht mit einer Ignoranz gegenüber den Problemen dieser Welt verstehen oder als eine total naive Haltung zur Realität. Wogegen wir aber mit diesem "Irgendwas geht immer" unter anderem angehen wollen ist ein Kulturpessimismus, der oft in populärwissenschaftlichen Beiträgen durchschimmert. Wenn beispielsweise popkulturell bewanderte Menschen immer nur darüber schreiben, dass nichts mehr geht, alles nur noch retro und Aufwärmung von Dagewesenem ist, und überall nur noch Stillstand vorherrscht, und besonders diese Stimmen auf großes Gehör stoßen, sagen wir eben: Nein, es geht immer irgendwie weiter. Das Abendland, die Pokultur, die Printmedien hätten schon zigmal untergehen müssen, hätte sich all der Pessimismus unserer Kulturgeschichte bewahrheitet.

Wird jede Ausgabe ein Schwerpunktthema haben?

Ja. Das ist, was unser Blatt zusammenhält. Außerdem haben wir so den Raum, uns einem großen Thema auf verschiedene Weisen zu nähern. Wir geben den Titel vor, grenzen die möglichen thematischen Gegenstände ein, und lass uns dann überraschen, welche Assoziationen bei unseren Autorinnen und Autoren geweckt werden. Das ist spannend und spült wahnsinnig viele Ideen in die Redaktion.

Bei Facebook fragt Euch ein Follower "Gesellschaftswandel fände ich 
auch prima. In welche Richtung hättet ihrs gerne?" Ihr antwortet: "Nach
vorne! Läuft aber schon." Ist das nicht etwas zu simpel, zu postindustriell-hedonistisch? Welche Philosophie vertritt das Magazin denn nun?


In einem Beitrag aus dem aktuellen Heft machen wir einen kleinen unterhaltsamen Ausflug in die Hyperkultur. Einer Kultur also, die sich vor allem der Herausforderung stellen muss mit der schieren Masse an Möglichkeiten umzugehen. Und natürlich mit dem Verlust von festen immergültigen Strukturen und Handlungsanweisungen. Das macht viele Menschen ängstlich, kann aber auch sehr unterhaltsam sein – eine Frage der Haltung. Unsere ist, dass es nach vorne geht. Wenn ein Label, dann nehmen wir Hyperkultur. Erstmal.

Mit 10.000 Exemplaren seid Ihr bundesweit gestartet. Wie ist die 
bisherige Resonanz beim Verkauf und bei den Lesern?


Die Kritik ist bisher positiv. Nach einer guten Woche in den Läden und Bahnhöfen lässt sich aber über den Absatz noch nichts genaues sagen.

"DIE EPILOG" erscheint vierteljährlich. Worin liegen Vor- und 
Nachteile dieser Erscheinungsweise? Gibt es Themen, die dadurch nicht
geeignet sind?


Im Prinzip eignen sich alle möglichen Themen für unsere Zeitschrift. Gesellschaft und Alltagskultur decken unglaublich viele Felder ab, wie man ja an unseren Artikeln zur Like-Funktion auf Facebook, zum Stagediving, zu Beats und Samples oder zu Bahnhöfen sehen kann. Politische Themen hingegen passen nicht zu uns, dafür gibt es andere, hervorragende Printmedien. Die vierteljährliche Erscheinungsweise erlaubt es uns, konzentriert an einem stringenten Heft zu arbeiten. Zwar beschäftigen sich die Artikel mit unterschiedlichen Dingen, dennoch verbindet sie ein roter Faden – eine Perspektive. Um diesen Tenor herum können wir dann das Heft strukturieren. Einziger Nachteil ist, dass man die Fixkosten nur auf vier Ausgaben pro Jahr verteilen kann. Da bleibt für uns wahrscheinlich nichts übrig. Außer Spaß.

Ihr habt Euer Projekt über die Crowdfunding-Plattform startnext.de finanziert. Wie lief das konkret? Könnt ihr das anderen empfehlen?

Wir haben einen guten Teil der Druckkosten über startnext.de finanziert, wofür wir sehr dankbar sind. Den Druck haben wir jedoch vorfinanziert, sodass wir über Startnext bereits Hefte und Abos zum Kauf anbieten konnten. Für unsere Kampagne haben wir ein Imageviedo gedreht, unser Projekt ausführlich auf unserem Profil beschrieben und dann viele interessierte und bereitwillige Menschen erreicht, die uns geholfen haben. Ich kann diesen Weg durchaus empfehlen. Man sollte den Spendern als Dankeschön jedoch auch mehr anbieten als "Luft und Liebe", in unserem Fall eben schon mal die erste Ausgabe der EPILOG.

Ein großer Nahrungsmittelkonzern will von Euch wissen, warum er für 
250.000 Euro Anzeigen bei Euch schalten sollte. Was sagt Ihr ihm?


Eine Zeitschrift färbt ja auch immer auf das Image der inserierenden Firmen ab. Wir sind schick, schlau und unterhaltsam – genau wie unsere Leser. Das sind doch drei Attribute und eine Zielgruppe, die jeder Konzern gut gebrauchen kann. Mancher vielleicht so nötig, dass er auch 250.000 Euro dafür ausgeben sollte.

Bitte den folgenden Satz komplettieren: Nach dem bzw. der EPILOG folgt immer ...

... hoffentlich die nächste.

Die Fragen stellte Oliver Hein-Behrens.