Interview: Computerspiele werden meistens wegen Gewalt indiziert

Interview

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien (BPjM) hat eine wichtige und in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Aufgabe. medienmilch.de sprach exklusiv mit der stellvertretenden BpjM-Vorsitzenden Petra Meier über Statistiken, rechtsradikale Medien und indizierte Medien:

 

 

Was - in aller Kürze - sind die Hauptaufgaben der Bundesprüfstelle  für jugendgefährdete Medien (BPjM)?

Die Bundesprüfstelle (BPjM) hat nach dem Jugendschutzgesetz die Aufgabe, Medien, die jugendgefährdend sind, in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen (= Indizierung). Mit einer Indizierung treten ein Weitergabeverbot an Kinder und Jugendliche sowie ein Werbeverbot in der Öffentlichkeit in Kraft.

Sie waren mit einem Stand auf der gamescom vertreten. Hatten Sie viele Besucher auf dem Messestand? Was waren die häufigsten Fragen und Anliegen der Besucher?

Der Info-Stand der BPjM auf der gamescom war an den fünf Messetagen sehr gut besucht. Das „BPjM-Quiz“ (für Kinder: „Quiz for Kids“) haben insgesamt über 1.000 Personen mitgemacht. Besonders erfreulich war, dass die Quizbearbeitung sehr oft intensive Gespräche und Diskussionen mit den Standbesucherinnern und -besuchern entstehen ließ. Viele Besucher hatten spezifische Fragen zu indizierten Spielen (auch zu Filmen oder CDs) und wollten mehr über die einzelnen Indizierungsgründe wissen. Viele Fragen drehten sich auch darum, wie das System der Altersfreigaben und der Indizierungen genau aufgebaut ist. Viele Besucher gingen zudem davon aus, dass indizierte Spiele überhaupt nicht mehr verbreitet werden dürfen, obwohl das Verbreitungsverbot nur in Bezug auf Personen unter 18 Jahren gilt.

Die BPjM gibt es seit 60 Jahren. Wie viele Medien sind seitdem indiziert worden und was waren die häufigsten Gründe?

Nicht alle Medien, die seit 1954 indiziert wurden, sind heute noch indiziert, da die Listenaufnahme nach 25 Jahren ihre Wirkung verliert und nur in solchen Fällen eine neue Indizierung (= Folgeindizierung) erfolgt, in denen auch aus heutiger Sicht weiterhin eine Jugendgefährdung besteht. Wie viele Medien aktuell indiziert sind, können Sie der auf unserer Homepage eingestellten Statistik (Stand: 31.8.2013) entnehmen. Die Häufigkeit der Gründe unterscheidet sich nach Medienart. So werden Tonträger am häufigsten deswegen indiziert, weil ihr Inhalt zum Rassenhass anreizt oder den Nationalsozialismus verherrlicht.

Computerspiele und Filme werden meistens wegen der darin enthaltenen Gewaltdarstellungen indiziert, d.h. weil das Gremium ihren Inhalt als verrohend oder als Anreizen zu Gewalttätigkeit einstuft. Telemedien (= Internetseiten), die der BPjM zur Indizierung gemeldet werden, haben in den meisten Fällen einen pornographischen Inhalt. Weitere Indizierungsgründe sind: Unsittlichkeit (z.B. die Vermischung von Sexualität und Gewalt); Propagieren von Selbstjustiz; Verherrlichung von Drogenkonsum oder Alkoholmissbrauch; Verherrlichung von Anorexie oder von Suizid; Diskriminierung von Menschen. Tatbestände der schweren Jugendgefährdung sind darüber hinaus alle in § 15 Abs. 2 Jugendschutzgesetz genannten Inhalte (z.B. Volksverhetzung, Pornographie, Kriegsverherrlichung, Darstellung von Minderjährigen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung).

Bücher, die das nationalsozialistische Regime verherrlichen, werden seit Beginn der Prüftätigkeit der BPjM regelmäßig indiziert, um die rechtsradikale Beeinflussung von Jugendlichen zu verhindern. Wie sieht hier die Entwicklung der letzten Jahre aus? Gibt es eine Zunahme von rechtsradikalen Medien?

Der Medienmarkt vergrößert sich insgesamt von Jahr zu Jahr. Damit wächst möglicherweise auch die Anzahl derjenigen Medien, die potentiell jugendgefährdend sind. Die jährlichen Verfahrenszahlen der BPjM, die nur auf Antrag/Anregung der im Jugendschutzgesetz genannten Stellen tätig wird, haben sich in den letzten Jahren jedenfalls stetig erhöht. Mit Inhalten, die zum Rassenhass anreizen oder den Nationalsozialismus verherrlichen, hat die BPjM am häufigsten bei Tonträgern und Büchern zu tun, außerdem bei Internetseiten.

Wie läuft der Prozess einer Indizierung bei einem Computerspiel beispielhaft ab? Wie viele Personen sind daran in der Regel beteiligt?

Die Indizierungsverfahren sind gerichtsähnliche Verfahren, d.h. die betroffene Firma bekommt rechtliches Gehör und kann gegen eine Indizierung vor dem Verwaltungsgericht klagen. Die Entscheidung über die Indizierung wird in Grundsatzfällen vom Zwölfergremium getroffen, das sich aus der Vorsitzenden der BPjM, acht Gruppenbeisitzerinnen/-beisitzern und drei Länderbeisitzerinnen/-beisitzern zusammensetzt. Fälle der offensichtlichen Jugendgefährdung werden im vereinfachten Verfahren durchgeführt. Hier entscheidet das Dreiergremium, das sich aus der Vorsitzenden der BPjM sowie zwei Beisitzerinnen/Beisitzern zusammensetzt.

Spiele, die der BPjM zur Indizierung eingereicht werden, werden von einem Spieletester komplett durchgespielt, der dann dem Gremium in dessen Sitzung alle für die Entscheidung relevanten Szenen vorführen muss. Dies betrifft sowohl die gewalthaltigsten Szenen als auch solche Spielelemente, die möglicherweise ein Gegengewicht zur Gewalt bilden (z.B. Rätseleinlagen; vielschichtige Rahmenhandlung). Das Gremium bewertet sodann das Spiel in seiner Gesamtheit und hat hierbei Aspekte der Kunst- und/oder Meinungsfreiheit zu berücksichtigen.

Ausländische Alterseinstufungen (z. B. PEGI) auf den Verpackungen von Spielen haben in Deutschland keine rechtliche Verbindlichkeit. In wieweit beeinflussen diese Klassifizierungen ihr Urteil?

Die PEGI-Klassifizierung hat für die Entscheidung über eine Indizierung keinerlei Bedeutung.

Die Liste jugendgefährdeter Medien ist geheim. Indizierte Medien tauchen auch nicht in den Online-Suchmaschinen auf. Kritiker werten dies als Intransparenz oder gar (Online-) Zensur. Was entgegen sie ihnen?

Die Liste der indizierten Trägermedien (= gegenständliche Medien) wird regelmäßig im amtlichen Mitteilungsblatt der BPjM („BPjM-Aktuell“) veröffentlicht, das allen Behörden, Schulen, öffentlichen Bibliotheken und Jugendeinrichtungen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Die Liste der indizierten Telemedien (= Internetseiten) ist nach dem Jugendschutzgesetz nicht-öffentlich. Grund hierfür ist, dass die Veröffentlichung der indizierten URLs Jugendlichen einen sofortigen Zugang zu den jugendgefährdenden Inhalten ermöglichen würde. Außerdem sind unter den indizierten URLs auch solche, die strafrelevant sind, weil sie z.B. Kinderpornographie zeigen.

Gegen Internetanbieter, die ihren Firmensitz in Deutschland haben und die nach einer Indizierung weiterhin die jugendgefährdenden Inhalte offen verbreiten, kann mit Bußgeld und Aufsichtsverfahren vorgegangen werden. Aus dem Ausland verbreitete, indizierte URLs, die weiterhin jugendgefährdende Inhalte zeigen, werden in einem Datensatz („BPjM-Modul“) zusammengefasst und an Betreiber von Filtersoftware weitergegeben. So kann erreicht werden, dass z.B. über Filterprogramme, die an Schulrechnern oder auch an heimischen Rechnern eingesetzt werden, Minderjährige nicht mit den indizierten Inhalten konfrontiert werden. Auch deutsche Suchmaschinen setzen das „BPjM-Modul“ ein, weshalb die indizierten URLs nicht in den Ergebnislisten angezeigt werden.

Wo liegen die Schwerpunkte der BPjM-Arbeit in den nächsten Jahren?

Die Schwerpunkte der Arbeit der BPjM bestimmen sich danach, was die antrags-/anregungsberechtigten Stellen ihr zur Prüfung der Indizierung einreichen. Insoweit lässt sich hierzu keine Prognose abgeben.