Interview: Die Situation von Journalisten in Afghanistan

Interview

Farida Nekzad, Top-Journalistin aus Afghanistan, ist als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte für ein Jahr in Deutschland. medienmilch.de sprach mit ihr exklusiv über die aktuelle Situation der Medien in Afghanistan:

Farida, kannst du uns bitte etwas über deinen beruflichen Werdegang und deine journalistische Position in Afghanistan erzählen?

Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren als Journalistin. Begonnen habe ich als Freiberuflerin für lokale und internationale Print- und Online-Medien mit den Themenschwerpunkten Frauen und Menschenrechte. 2002 startete ich als Autorin und Moderatorin von Talkshows bei  Radio Aina. Danach arbeitete ich ab 2003 neben meiner Tätigkeit als Journalistin auch als Managerin, Frauenrechtlerin und Mediatrainerin für einen investigativen und zukunftsgerichteten Journalismus.
Ich trainierte mehr als 2000 afghanische Journalisten und eröffnete drei Radiostationen für Frauen in drei Provinzen, die jetzt eigenständig geleitet werden. Unter dem Aspekt eines  modernen Bürgerjournalismus trainierte ich darüber hinaus viele Studenten und Schüler in Kabul und anderen Provinzen des Landes zu den Themenfeldern Frauen- und Menschenrechte. Während dieser Zeit als Nachrichten-Chefin und Chefredakteurin war ich auch Mitgründerin von Pajwhok, einer der großen Nachrichtenagenturen in Afghanistan.
Ich arbeitete sehr hart und kämpfte gegen jede Bedrohung und Verletzung der Pressefreiheit, immer mit dem Risiko, diese professionelle Arbeit fortzusetzen. Ich akzeptierte diese Risiken, mit meinen Beruf fortzufahren. Ich sehe mich als seine der Beschützerinnen und Verteidigerinnen des Journalismus seit 2005 in Afghanistan. Diese Arbeit war nicht immer leicht. Ich erhielt dafür drei internationale Preise von verschiedenen internationalen Organisation aus den USA und Kanada.
Im Februar 2009 musste ich wegen der gefährlichen Sicherheitslage dann von all meinen Positionen zurücktreten.

Wie sieht die Medienlandschaft in Afghanistan aktuell aus und was hat sich in den letzten 12 Monaten besonders geändert?

Die Medienlandschaft allgemein ist sehr aktiv, aber die Situation für Reportagen hat sich verschlechtert durch illegale Aktivitäten, unter anderem im Bereich der Korruption und des Drogenhandels. Speziell in den Provinzen ist die journalistische Arbeit schwierig, auch wenn es immer wieder themenbedingt eine Rücknahme der Behinderungen von Journalisten gibt wie zum Beispiel bei den afghanischen Wahlen.

Wie sieht das typische Mediennutzungsverhalten deiner Landsleute aus?

Die meisten Menschen in Afghanistan hören Radio. Sie können heutzutage überall Radio hören durch ihre Handys oder mittels kleiner Radios, auch dann, wenn sonst kein Strom vor Ort ist. In Kabul jedoch ist dies nicht so: Hier haben die meisten Menschen Fernsehen. Sie schauen und hören hier dem TV-Programm zu.Die Funktion der Medien ist eigentlich sehr gut und effizient in einigen Sachgebieten. Eine Zeitungskultur ist dagegen nicht in sehr großem Maße in unserem Land vorhanden.

Du hast wegen deiner  Artikel über nationale Politik und lokale Gebräuche in Afghanistan Drohanrufe und E-Mails erhalten und bist nur knapp einem Bombenschlag entgangen. Sind diese Drohungen und Anschläge religiös motiviert oder verfolgen sie einfach Machtinteressen? Welche Rolle spielt es dabei, dass du eine Journalistin bist?

Ja, in diesem Kontext spielt das eine Rolle. Ich bin mehrfach bedroht wurden: So hat man versucht, mir Säure ins Gesicht zu werfen. Das waren religiöse Fanatiker, oppositionelle Leute oder Warlords aus den Provinzen. Diese Leute wollen nicht, dass Frauen an der Gesellschaft teilnehmen und präsent sind. Sie wollen auch nicht, dass Frauen etwas aufdecken oder bekannt geben. Deswegen ist die Situation für weibliche Journalistinnen wesentlich gefährlicher als für Männer. Es ist für manche unglaublich schwierig, zu akzeptierten, dass eine  junge Frau Reportagen und Berichte schreibt und veröffentlicht.

Ist die Pressefreiheit im westlichen Sinne in Afghanistan überhaupt realistisch bzw. wie sieht ein Idealzustand für Afghanistan deiner Meinung nach hier aus?

Im Verhältnis zu anderen Zeiträumen in Afghanistan existiert jetzt etwas, von dem wir sagen können, wir haben Pressefreiheit. Seit 2007 verschlechtert sich diese Situation aber kontinuierlich: Journalisten können immer schwerer über kritische Themen wie Schmuggel, Korruption oder illegale Geschäftsmethoden schreiben. Somit haben wir eine Pressfreiheit mit einer gewissen Zensur.

Wie beurteilst du die Berichterstattung über Afghanistan in den deutschen Medien soweit du dir hier ein Bild machen kannst?

Um ehrlich zu sein, ich bin den deutschen Medien im Einzelnen nicht gefolgt, aber wenn ich der Deutschen Welle glauben kann, gibt es eine gute Abdeckung bezüglich der Berichterstattung  über Afghanistan.

Aktuell suchst du Kontakt zu deutschen und internatio­nalen Kollegen, um über deine Arbeit und die Zustände und die Zukunftsperspekti­ven in Afghanistan zu berichten. Was sind hier deine konkreten Ziele?  

Zuallererst möchte ich die deutsche Sprache lernen. Dann möchte ich an einigen meiner Bücher weiter arbeiten, da diese noch nicht fertiggestellt sind. Danach hängt es wirklich davon ab, wie sich die Situation in Afghanistan entwickelt. Bisher habe ich die deutschen Medien noch nicht kontaktiert, aber dies möchte ich nachholen.

Die Fragen stellte Oliver Hein-Behrens.

Farida Nekzad kann kontaktiert werden über das Büro der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte: Telefon 040 - 42863-5757, Internet: www.Hamburger-Stiftung.de