Deadline: Es muss sich definitiv etwas ändern in Deutschland (Exklusiv-Interview)

Interview

Anlässlich der Jubiläumsausgabe des Filmmagazins „Deadline“ führte medienmilch.de ein spannendes Interview mit Germaine Paulus (Redaktion), Andreas Peter (Chefredakteur und Herausgeber) und Yazid Benfeghoul (Herausgeber und Marketing) über Zeitgeist, Zombies, den deutschen Film und wertvolle Filmtipps:

25 Ausgaben Deadline! Herzlichen Glückwunsch! Welches sind die drei wichtigsten Faktoren, um die generell schwierige "Markteintrittsphase" für ein Magazin so zu meisten?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Als erstes muss man realistisch und nicht gierig sein. Man sollte den Markt genau kennen und das, was man macht, unbedingt mögen!

Ich habe das Gefühl, dass Euer Magazin "für Freunde der ausgefallenen Unterhaltung" ganz gut den aktuellen Zeitgeist trifft und SF, Horror und andere ausgefallene Genres eine Art Revival erleben. Stimmt das?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Dieses Horror-Revival begann genauso genommen schon mit SCREAM. SAW und HOSTEL hat dem langsamen Abebben wieder entgegengewirkt und zugleich die Hemmschwelle des „normalen“ Zuschauers herabgesetzt. Danach kamen viele 08/15-Produktionen auf dem Markt, doch die Zuschauer lernen auch und informieren sich. Es gibt da draußen genügend hochwertiges Material, mit dem sich ein Filminteressierter eindecken kann. Aber auch einige Jahre zurück war AKTE X ein maßgeblicher Wegbereiter für die heutige Salonfähigkeit des Horrors. Obwohl Pro Sieben ab 1994 die Folgen zur Primetime teils auf die 12-er Version heruntergeschnitten zeigte, kamen die Wiederholungen nachts ungeschnitten (also ab 16). Die waren teilweise recht heftig – und eindeutig dem Genre Horror zuzuordnen. Außerdem suchen sich immer mehr Menschen Alternativen neben dem üblichen Einheitsbrei. Im Mainstream, den wir aber nicht kategorisch aus unserem Spektrum ausschließen wollen, ist oftmals schon Langeweile eingekehrt. Da ist es im Genrefilm aufregender, weil frische Ideen schneller umgesetzt werden können. So bedient sich der Mainstream auch immer wieder der Impulse, die der so genannte Underground aussendet.

Wie haben sich die Verkaufs- und Abonnentenzahlen im letzten Jahr für Deadline entwickelt. Seid Ihr zufrieden?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Wir sind bereits vor vier Jahren mit einer sehr starken Abonnentenzahl gestartet. Das verdanken wir unserem Vorgänger-Magazin GORY NEWS. Die Abo-Zahlen und auch unsere Auflage haben sich gegen dem allgemeinen Trend am Kioskmarkt stetig erhöht und sind mit den letzten beiden Ausgaben – auch durch die Abo-Aktionen, die wir immer wieder starten – noch einmal stark angezogen. Darüber kann man in der heutigen Zeit sehr glücklich sein.

Außergewöhnliche Filme wie zum Beispiel "Enter the Void" laufen heutzutage selbst in Großstädten wie Hamburg nur für einige Vorstellungen bzw. Tage regulär in den Kinos, bevor sie in den Handel und die Videotheken kommen. Ist das eher ein Vorteil oder ein Nachteil für Fachmagazine wie Deadline?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Da wir uns nicht speziell als reines DVD-Magazin bezeichnen, sondern auch über Kinofilme berichten, ebenso mit einer Vielzahl Interviews und jeder Menge anderen filmbezogener Themen aufwarten, stört das unseren Inhalt nicht. Es ist nur schade für die Verleiher, die den Mut haben, kleinere Filme mit teuren Kopien in die Kinos zu schicken. Denn das Medium Kino ist immer noch die Königsdisziplin.

Auf welche Filme freut Ihr euch in der Deadline-Redaktion besonders in 2011?

Germaine Paulus:
Auf einige, aber vor allem auf News bezüglich THE GOON und CAPTAIN FUTURE. 2012 definitiv auf DER HOBBIT.

Yazid Benfeghoul:
TRON LEGACY und ALIEN PAUL aktuell.

Andreas Peter:
SUCKER PUNCH, WORLD INVASION: BATTLE LOS ANGELES und auf die Vorgeschichten-Verfilmung von THE THING und auf die zweite Staffel der Serie THE WALKING DEAD.

Was meint Deadline eigentlich zu einem TV-Format wie "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Sendungen wie das Dschungelcamp könnten durchaus als modernes Gladiatorentum gesehen werden - niederste Instinkte des Zuschauers werden befriedigt, man kann manch einen "Prominenten", den man weder vom Namen noch vom Gesicht her kennt, am Boden seiner Karriere beglotzen und sich an Ekel und Peinlichkeiten ergötzen. Uns ist es rätselhaft, wie dieser TV-Stumpfsinn es in die fünfte Staffel schaffen konnte. Man könnte die Sache auch so zusammenfassen: Niedergang der Kultur! Armes Deutschland! Verdummungsalarm! Peinlicher geht’s selbst mit viel Anstrengung nicht mehr! Aber sind wir doch mal ehrlich: fast jeder schaut es, und sei es nur, um mit an dem Format rumzunörgeln.

Irgendwie hat man das Gefühl, dass Zombies ein Erfolgsgarant für Filme, Games und andere Medien sind. Welche Rolle spielen die Untoten aktuell in der Branche? 

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Es scheint fast, als ob die guten alten Zombies alle 20 Jahre ein Revival feiern. Nicht nur jetzt, auch in den 1980er hatten sie Hoch-Zeiten, jede durch den entsprechenden Zeitgeist geprägt. Den schlurfenden Zombies folgten blitzschnelle Untote wie im Remake von DAWN OF THE DEAD oder den 28 DAYS/WEEKS LATER-Filmen. Die (teils) durch ökologischen Missbrauch entstandenen Zombies wurden zu (teils) durch medizinischen Missbrauch entstandenen ... Zombies hatten eigentlich immer Konjunktur, sind nur heutzutage massentauglicher geworden. Wir können uns also entspannt zurücklehnen und warten, was uns die 2020er Jahre an Zombietypen bringen werden.

Was plant Ihr neu für dieses Jahr in 2011? Worauf dürfen sich Eure Leser freuen?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Aufmerksame Leser wissen, dass mit Ausgabe 26 etwas Besonderes in Haus steht: Mit dem Buchstaben "N" ist das Finale unserer Rückenbeschriftung "DEADLINE - DAS FILMMAGAZIN" erreicht. Entsprechend liegt auf der Hand, dass wir mit Ausgabe 27 etwas Neues für das Gesicht der DEADLINE planen. Was genau, werden wir natürlich noch nicht verraten. Da muss man schon bis Mai warten. Auch planen wir weitere verschollene Klassiker in der Scare-ific-Collection, einer von uns veröffentlichten DVD-Reihe, auf den Markt zu bringen.

SF- und Horrorthemen spielen im deutschen TV und Kino nur eine verschwindende Rolle. Woran liegt das?

Paulus/Peter/Benfeghoul:
Im TV geht es in erster Linie um Geld und Werbedeals. Das, was im TV beworben wird, wird womöglich nicht als für den Sci-Fi-/Horrorliebhaber zielgruppenrelevant eingestuft. Je später ein Film gezeigt wird bzw. gezeigt werden muss, desto weniger ist der Werbung buchende und zahlende Kunde bereit, sein Produkt unterzubekommen.

Fürs Kino gilt: Damit ein deutscher Kinofilm überhaupt Geld einspielt, muss er eine Komödie sein. Schaut man sich die erfolgreichsten deutschen Filme an, finden sich in den Top 10 - abgesehen von „Schulmädchen Report“ - ausschließlich Komödien. Wenn ein deutscher Filmemacher realistisch ist und Horror-, Sci-Fi-, Actionfilme oder Thriller drehen will, weiß er einfach, dass der Heimatmarkt als Terrain mehr als riskant ist.

Das Verdammte an der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft ist die Tatsache, dass die seit Jahren versumpften Strukturen der Filmförderung dazu führen, dass es keine Innovationen mehr gibt. Jedes Sozialdrama, jeder Coming-of-Age-Film oder Ost/West-Konflikt-Streifen wird auf Teufel komm raus, teilweise mit Steuergeldern, gefördert. Aber die Filme über einen eingewanderten Albaner, der sich in eine Behinderte verliebt und dann noch im Grenzland zu Polen an Masern stirbt, will keine Sau sehen. Die laufen dann mit 200 Kopien vor nur 2000 Zuschauern und enden im Spätprogramm von 3SAT oder Arte oder eben in den Archivkammern der Sendeanstalten und Filmverleihern. Dabei wäre es doch unbedingt möglich, auch hierzulande DEUTSCHE Action-, Sci-Fi- oder Horrorfilme zu drehen, die international Erfolg haben, als immer wieder in diese Sackgasse der blinden, elitären, falschen TV- und Film-Kultur zu laufen.

Jedes andere Land - mal mehr, mal weniger - liefert tolle Filme, die international funktionieren. Waren es noch vor ein paar Jahren Spanien und Südkorea, die wahnsinnig spannenden Filmoutput brachten, ist es momentan wieder die Filmwirtschaft in England und Frankreich, die für Aufregung sorgt. Es muss sich definitiv etwas ändern in Deutschland. Auch in Richtung Zensur im Film und im Game-Bereich!

Welche Filme aus dem letzten Jahr sollte man Eurer Meinung unbedingt nachholen, falls noch nicht gesehen?

Germaine Paulus:
“Ein Prophet”
”Moon”
”Enter the Void”
”Red Riding Trilogy”
”The Walking Dead”
und danach unbedingt die noch bessere Comicreihe lesen!

Yazid Benfeghoul:
“Heartless“
“Harper´s Island”
“7 Days”
“Crazies” (Remake)
“24 – Season 8”

Andreas Peter:
“The Reef”
“Frozen”
“Monsters”
“Buried”
“Exit trough the Gift Shop”
“Wallhalla Rising”
“The Loved Ones”
“Rammbock”

Das E-Mail-Interview mit Germaine Paulus, Yazid Benfeghoul und Andreas Peter führte Oliver Hein-Behrens.