Interview: "Wer sich als Anbieter gegen Embedding wehren möchte, muss seine Inhalte einem begrenzten Nutzerkreis zugänglich machen"

Interview

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in Bezug auf das Embedding, also die Einbettung fremder Inhalte, eine Entscheidung gefällt, die weitreichende Auswirkungen für Anbieter und Verwender von entsprechenden Online-Content hat.

Embedding, also die Einbettung fremder Inhalte, ist demnach möglich, wenn kein Urheberrechtsverstoß begangen wird, wenn sich der Inhalt nicht an ein neues Publikum richtet und keine anderen technischen Mittel als der sogenannte Embedd-Code zur Einbindung verwendet wird. Was das genau bedeutet? medienmilch.de sprach mit dem Rechtsanwalt Dr. Bahne Sievers:

Wie definieren Sie den Begriff "embedding" aus juristischer Sicht und welche Grenzen gibt es zu anderen Online-Darstellungsformen wie den Download?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) versteht unter Embedding einen technischen Vorgang, bei dem eine Internetseite in mehrere Rahmen unterteilt wird und in einem dieser Rahmen mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks (Inline Linking) ein einer anderen Website entstammender Bestandteil angezeigt wird, wodurch die ursprüngliche Umgebung dieses Bestandteils verborgen bleibt. Aus urheberrechtlicher Sicht ist bei der Bewertung von Online-Darstellungsformen immer die Frage zentral, welches dem Rechteinhaber zustehende Verwertungsrecht hierdurch tangiert sein könnte. Hier sind regelmäßig das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe relevant. Beim Embedden wird nun – anders als beim Download – das Werk nicht vervielfältigt. Da das Werk bereits auf einer anderen Website frei öffentlich wiedergegeben wird, ist Embedden nach Auffassung des EuGH regelmäßig auch keine öffentliche Wiedergabe. Eine solche setzt nämlich voraus, dass durch die betroffene Handlung das Werk gerade einem neuen Publikum zugänglich gemacht wird. Richten sich Quell-Website und der embeddenden Website beide frei an alle Internetnutzer, so ist ihr Publikum für den EuGH identisch und daher die Verwertungsrechte des Rechteinhabers nicht tangiert.

Was hat sich für Website-Betreiber durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Thema Embedding geändert?

Das Urteil löst zwar nicht alle Fragen, aber erhöht doch die Rechtssicherheit. Bis zur Entscheidung des EuGH war das Thema in Deutschland durchaus umstritten. Selbst die (Instanz-)Gerichte hatten hierzu keine einheitliche Auffassung. Nunmehr ist klar, dass das reine Embedding urheberrechtlich zulässig ist, sofern das betroffene Werk (idR ein Video) mit Zustimmung des Rechteinhaber für jedermann freizugänglich ins Netz eingestellt wurde. Nur für registrierte Nutzer zugängliche Inhalte oder Paid Content können daher grundsätzlich nicht embedded werden. Neben dem Urheberrecht sind beim Embedding jedoch auch insbesondere das Recht am eigenen Bild und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten, die beide nicht Gegenstand des EuGH-Urteils gewesen sind. So kann z.B. ein privates Video, in dem einzelne Personen zu erkennen sind, nicht einfach zu Werbezwecken in eine Unternehmens-Homepage embedded werden. Solche werbliche Vereinnahmung würde nämlich das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen verletzen.

Ist jedes Video, das bei Youtube und anderen Online-Video öffentlich frei zugänglich ist, damit auch legal embeddbar?

Auch hier kommt es zunächst darauf an, ob das Video mit Zustimmung des Rechteinhabers bei Youtube eingestellt wurde. Eine Vermutung, dass der Account-Inhaber auch der Rechteinhaber ist, gibt es dabei nicht. Sind auf dem Video Personen erkennbar, so ist ferner deren Persönlichkeitsrecht zu beachten. Im Einzelfall zu prüfen ist es ferner, wenn man ein Video in eine eigene Werbe-Kampagne etc. integrieren will. Hier wird man schnell an Grenzen stoßen.

Wie sieht es mit einem Video aus, das ich als Herausgeber auf meiner Website (also nicht bei Youtube) anbiete und bei dem ich explizit darauf hinweise, dass ein Embedding ohne Zustimmung auf dritten Websites nicht erlaubt sei. Ist das juristisch trotz des EuGH-Urteils wirksam? Greift hier das Urheberrecht?

Ein einseitiger Disclaimer wäre juristisch kaum belastbar. Denn das Embedding stellt nach Auffassung des EuGH gerade keine zustimmungspflichtige Verwertungshandlung dar, sondern liegt außerhalb der Verfügungsgewalt des Rechteinhabers. Allenfalls ließe sich eine solche Nutzungsbeschränkung daher vertragsrechtlich vereinbaren. Einem solchen gegenseitigen Vertrag müsste der Nutzer jedoch zustimmen, was online regelmäßig schon nicht praktikabel ist.

Wie sieht das bei Fotos aus? Reicht hier zum Beispiel beim Embedden ein Hinweis auf den Urheber/die Website, von der ich es habe?

Das Urteil des EuGH betrifft nicht nur Videos, sondern alle urheberrechtlich geschützten Werke. Hierzu zählen u.a. auch Fotos (sog. Lichtbildwerke), Sprachwerke und Präsentationen. 

Welche Schritte empfehlen Sie Online-Anbietern, die ihren Content nicht embedded auf anderen Websites sehen wollen?

Wer sich als Anbieter gegen Embedding wehren möchte, muss seine Inhalte einem begrenzten Nutzerkreis zugänglich machen, etwa durch eine vorherige Registrierungspflicht oder eine Pay Wall.

Welche Maßnahmen/Hinweiseempfehlen Sie Online-Anbietern, die embedded Content auf ihrer Website haben?

Um das Risiko zu minimieren, ungewollt aus ein einer unrechtmäßigen Quelle zu embedden, sollten Online-Anbieter prüfen, woher der Content stammt. Gerade bei User-Generated-Content wird z.B. häufig auf Dritt-Content (z.B. aktuelle Hits zur musikalischen Untermalung) zurückgegriffen, ohne hierzu die notwenigen Rechte einzuholen. Bei „professionellen Quellen“ ist die Wahrscheinlichkeit schon höher, dass die notwendigen Rechte auch hinreichend eingeholt wurden. Gleichwohl verbleibt auch hier ein Restrisiko. Für mehr Sicherheit müsste man ein Rechte-Clearing machen. Ein solches ist aber durchaus umständlich und wird praktisch auch nur schwer durchzuführen sein. Dies gilt insbesondere, wenn der Betreiber der ursprünglichen Website an einem Embedding gar kein Interesse hat. Gesondert sind schließlich immer Persönlichkeitsrechte etwaig erkennbarer Personen sowie – gerade bei werblicher Nutzung - das UWG zu prüfen. 

Dr. Bahne Sievers berät als Rechtsanwalt bei Bird & Bird LLP, Hamburg, vor allem Medienunternehmen sowie Startups im Bereich IP und Commercial. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet insbesondere die Beratung von digitalem Content-Vertrieb, Apps, Online-Auftritten und Social Media-Aktivitäten.  

Die Fragen stellte Oliver Hein-Behrens.