Interview: "Externe bringen frische Ideen"

Interview

Kreativwirtschaft – quo vadis? Profitieren Freiberufler bereits vom angeblichen Aufschwung der Werbe- und PR-Branche? Welches sind besonders attraktive Berufsfelder? medienmilch.de sprach darüber mit Christiane Strasse, Gründerin und Geschäftsführerin von projektwerk.

Für die, die Sie noch nicht kennen: Was bietet projektwerkcreative an?

Christiane Strasse:
Unternehmen und Freiberufler der Kreativwirtschaft können hier Projekte bzw. Qualifikationsprofile veröffentlichen und miteinander direkt in Kontakt treten. Aufgrund der hohen Markttransparenz und der breiten Fächerung der Qualifikationsprofile der beteiligten Freiberufler und Unternehmen entsteht ein für beide Seiten sehr effizienter Matching-Effekt. Speziell im Zeitalter des work 2.0, das verstärkt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise eine Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen vorantreibt, können Kreative verschiedenster Fachrichtungen hier interessante Projektaufgaben finden.

Wie war 2010 die Gesamtentwicklung im creative-Bereich?

Christiane Strasse:
Bereits 2006 hat die Kreativwirtschaft einen Anteil von 2,6% am Bruttoinlandsprodukt (61 Milliarden €) ausgemacht – Tendenz steigend. Dies zeigen auch die Zahlen des Bundesministeriums von 2008. Die Zahl der Erwerbstätigen im kreativen Bereich stieg von 2006 auf 2007 um 30.000 auf knapp 970.000. 3,3% aller Erwerbstätigen seien, laut Forschungsgutachten Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung 2009, also im kreativen oder kulturellen Bereich tätig. Dies stellt einen guten Mittelwert im Vergleich zu anderen Branchen dar. Seit Mai 2010 gibt es auch eine Reaktion von projektwerk auf diese positive Entwicklung. Die auf die Kreativwirtschaft spezialisierte Plattform http://creative.projektwerk.com. Somit haben jetzt auch kreative Freelancer wie z.B. Grafiker, Designer oder Journalisten bei projektwerk creative die Chance, Projekte zu finden. Aber auch Unternehmen wie Werbeagenturen, Buchverlage oder Theater haben mit projektwerk creative einen Anlaufpunkt, um Spezialisten für neue Projekte zu entdecken.

Welche neuen Berufsbilder und Profile haben sich 2010 herausgeschält bzw. welche haben überproportional zugenommen?

Christiane Strasse:
Seitdem die Plattform im Mai 2010 online gegangen ist, sind besonders die Experten aus dem Marketing-Umfeld mit knapp 5000 angelegten Profilen hervorgestochen. Aber auch andere Bereiche wie Webdesign und Animation sind zahlreich vertreten.

Marketing, Multimedia, Kommunikation, Werbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Web- und Grafikdesign - welche Teilbereiche haben sich 2010 am besten entwickelt von Angebot und Nachfrage her?

Christiane Strasse:
Seit jeher sind besonders die Teilbereiche Marketing und Multimedia am meisten gefragt.  Im letzten Jahr waren besonders stark Fähigkeiten im Mobile Bereich gefragt, egal ob Konzeption oder Design.  Und Gaming ist natürlich auch ein großes Thema.

Wie sehen die ersten Trends 2011 aus? Werden beispielsweise wieder mehr Konzept-Freelancer von den Agenturen angefragt?

Christiane Strasse:
Der wirtschaftliche Aufschwung hat aus unserer Sicht eher einen gleichmäßigen Effekt auf die Nachfrage, die insgesamt schon gestiegen ist. Aber aus unserer Sicht ist es nach einem Monat noch zu früh, um Aussagen zu treffen.

Welche Einflüsse hat das Internet und insbesondere Social Media auf die aktuellen Such- und Angebotsprofile im creative-Bereich?

Christiane Strasse:
Der Online Werbemarkt wächst weiter, online PR gewinnt an Stellenwert, social media ist ein wachsender Bereich mit vielen neuen Möglichkeiten und Tätigkeitsprofilen. Wichtig: das Mediennutzungsverhalten verändert sich, und sich daran anzupassen, wird eine der großen Herausforderungen von 2011 sein. Und die Möglichkeiten, sich zu präsentieren, werden um Social Media erweitert.

Was sind die Hauptgründe für Agenturen und Unternehmen, mit Freelancern zusammen zu arbeiten?

Christiane Strasse:
1. Externe bringen frische Ideen, beleben Teams.  Es gibt Studien, die belegen, dass gemischte Teams aus Freien und Festen Mitarbeitern bessere Ergebnisse produzieren. Dasselbe gilt übrigens für gemischt männliche/ weibliche Teams ;-)
2. das Arbeiten mit Freelancern ermöglicht es Unternehmen, Auftrags- und Markt-schwankungen flexibel abzufedern.
3. man kann für spezielle Aufträge/Kunden maßgeschneidertes Expertenwissen suchen, maßgeschneidert also.
4. Oft sind es auch die Top Leute, die als Freelancer arbeiten wollen.

Welche Kardinalfehler sollte man bei der Eigenpräsentation als Freelancer vermeiden? Was sind absolute "musts"?

Christiane Strasse:
Natürlich gibt es die Basics, die für jede Eigenpräsentation gelten: Aussagekräftig, übersichtlich. Aber auch abgestimmt auf den Bereich in dem man sich präsentieren will: Nicht kreativ um der Kreativität willen, sondern auch mit Blick auf den Kunden, den man gewinnen will. Fatal aus meiner Erfahrung: Überheblichkeit und Arroganz. Da in der Regel heute in Teams gearbeitet wird, empfiehlt sich auch das Betonen der weichen Skills. Fachliches Wissen, Erfahrung, Referenzen, Soft Skills. So würde ich eine Präsentation aufbauen.

Welche Rolle spielt das Alter bei Ü-40-Freelancern im Creative-Bereich? Ist es eher ein Negativfaktor oder ist das Know-how (wieder) besonders gefragt?

Christiane Strasse:
Tja, es gibt beide Tendenzen, sehr abhängig von der Aufgabe und auch Ansprechpartner beim Kunden. Es gibt Kunden, die wollen lieber mit einem 45 jährigen CD sprechen, weil Sie selbst in dem Alter sind und glauben, er verstünde sie besser als jemand mit 30. Es gibt auch Aufgaben, für die mal viel Erfahrung braucht. Das Gegenteil gibt es auch. Wo sehr viel Flexibilität gefragt ist, kleinere Budgets vorhanden sind, für junge Kunden oder junge Zielgruppen gearbeitet wird, sind meistens auch eher junge Kreative gefragt.

Bitte vervollständigen Sie den Satz: 2011 wird für Freelancer aus der Medien- und Kommunikationsbranche wie ...

Christiane Strasse:
… ein erster Frühlingstag – sicher noch nicht warm und sonnig, aber eben auch nicht grau in grau.

Die Fragen an Frau Strasse stellte Oliver Hein-Behrens.