Stern: Sarrazin-Titelstory zum neuen Buch ohne Buch

Kommentar

Da hat der Stern sich aber einen Klopper erlaubt! "Europa braucht den Euro nicht!", lässt das Stern-Cover Thilo Sarrazin im zackigen Comic-Blasenstil sagen und titelt weiter "Neues Buch, alte Masche: Wie Brandstifter Sarrazin mit schrillen Thesen Millionen macht". Der Stern bespricht also Sarrazins neues Buch? Könnte man schon denken, aber weit gefehlt!

Was kommt, grenzt schon fast - sorry für diese harte Beschreibung - an Leserverarschung. Nachdem Chefredakteur Andreas Petzold die Erwartungshaltung des Käufers fast ins Unermessliche steigert, als er im Editorial über Sarrazin wissen lässt: "der Brandstifter zündelt wieder ... "Europa braucht den Euro nicht", lautet seine neueste These, Titel seines Buchs, das nächste Woche erscheint" kommt dann auf 11 Seiten ...

... alles, aber keine Buchbesprechung! 

Nicht einmal Zitate oder kurze Passagen! Es folgt stattdessen ein launisches Portrait des politisch umstrittenen Autors Sarrazin, garniert mit zahlreichen alten Zitaten und alten Fakten sowie einer allgemeinen Beschreibung der Wirtschaftsbuch-Vermarktung. "Die großen Medien, natürlich auch der stern sind wichtige Räder in diesem Vermarktungsgetriebe", lassen uns die drei Stern-"Rechercheure" des Titelthemas (wollte fast "Aufmacher" schreiben) da wissen. Wow! Meine Kinnlade klappt nach unten und bleibt da lange - unfreiwillig. 

Immerhin erfahre ich vom Stern noch neben dem Titel, dass das Buch 464 Seiten hat. Aber das ist gefühlt schon wirklich alles! Keine Zeile aus dem Buch, nicht einmal, ob die Bild-Zeitung dem Stern zuvor gekommen ist mit ersten Auszügen des Provokateurs in Kürze. Halt! Ich korrigiere mich: Zurück zum Editorial mit "Petze": "... so ist das Buch mit dem" - ja doch, gähn - "populistischen Titel ein durchaus fundiertes Stück Volkswirtschaft, das sich solide mit den Schwächen der Währungsunion auseinandersetzt. Er lässt das Publikum allerdings in dem Glauben, die Rückabwicklung der gemeinsamen Währung sei möglich. Eine absurde Vision ..." Hat der Stern-Chefredakteur das neue Buch also doch schon gelesen? Etwa ganz? Und dann das? Als Aufmacher?

Immer noch mit offener Kinnlade,

medienmilch.de