Polit-Krimi für Spiegel-Reporter in China

Bad News

Es mutet an wie ein Polit-Krimi aus dem kalten Krieg, ist aber leider Realität des heutigen Chinas: Reporter ohne Grenzen ist besorgt über einen Einbruch beim China-Korrespondenten des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Bernhard Zand.

Während Recherchen in der Provinz Guizhou drangen Unbekannte in die Hotelzimmer Zands und seiner chinesischen Mitarbeiterin Wu Dandan ein. Dort zerstörten sie Zands Tablet-Computer und löschten Fotos von einer Speicherkarte sowie Daten von den Laptops der beiden Journalisten. Zands Mobiltelefon wurde unter Wasser gesetzt. 

Der langjährige Spiegel-Redakteur und seine Mitarbeiterin recherchierten in Guizhou über das Schicksal von fünf obdachlosen Kindern, die Mitte November tot in einem Müllcontainer gefunden wurden. Die Jungen hatten Zuflucht vor der Kälte gesucht und starben an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung, weil sie in dem Container ein Feuer entzündeten. Der international beachtete Fall löste heftige Kritik an den Behörden aus, weil sich niemand um das Schicksal der Kinder gekümmert hatte, obwohl diese wochenlang nicht zur Schule gekommen waren. Mehrere Behördenmitarbeiter wurden entlassen. Zand und Dandan gelang es in Guizhou, Kontakt mit dem Journalisten Li Yuanlong aufzunehmen, der als erster über den Fall berichtet hatte und sich trotz massiven Drucks der Behörden weigerte, seine Berichte aus dem Internet zu entfernen. 

Bei ihren Recherchen wurden die Spiegel-Journalisten nach eigenen Angaben tagelang durch verschiedene Sicherheitsdienste behindert. Ihre Bewegungen seien teils gefilmt, ihre Interviewpartner eingeschüchtert worden. Nach dem Vorfall habe die Hotelleitung ihnen dringend geraten, die Provinz zu verlassen und auf eine Anzeige zu verzichten, berichtete Zand. Aufnahmen der Überwachungskameras im Hotel lägen nach Darstellung der Polizei für den fraglichen Zeitraum nicht vor. 

"Die chinesischen Behörden versuchen systematisch, durch Zensur und Einschüchterung die Berichterstattung über kritikwürdige Zustände im Land zu verhindern", kritisierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Seit mehreren Jahren würden die Arbeitsbedingungen für Journalisten immer schlechter. "Reporter ohne Grenzen fordert von den chinesischen Behörden eine schnelle Aufklärung des Einbruchs bei den Spiegel-Journalisten." 

Reporter ohne Grenzen zählt den chinesischen Präsidenten Hu Jintao zu den weltweit größten Feinden der Pressefreiheit. Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 174 von 179 - schlimmer ist die Situation nur noch in Iran und Syrien sowie bei den drei langjährigen Schlusslichtern Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.