Satire und Glauben

Kommentar

Einen Tag vor dem Prozess zieht der Papst die Notbremse: Indem der Vatikan die einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin Titanic zurücknimmt, schliddert die Kirche an einer spektakulären Blamage vorbei.

Einen Tag vor dem Prozess zieht der Papst die Notbremse: Indem der Vatikan die einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin Titanic zurücknimmt, schliddert die Kirche an einer spektakulären Blamage vorbei. Schon jetzt ist beispiellos, wie wichtig der Stellvertreter Christi einen sinnlos vulgären und nicht mal guten Witz nimmt.

Ende der Debatte? Nein. Mit dem Brachial-Humor der Satiriker und der päpstlichen Überreaktion hat sich der Tonfall um die Rolle der Religion nur verschärft. Auf kreuz.net wettern radikale Christen sogleich gegen die "altliberalen Kriech-Bischöfe" und wünschen die "Titanic"-Redakteure am "Turm der Kirche aufgehängt". Die intellektuelle Rechte stimmt mit ein - wie der Büchner-Preisträger Martin Mosebach, der Verständnis für Islamisten hat.

Hier tobt tatsächlich ein Kulturkampf - leider als Stellvertreter-Diskussion um echte oder angebliche Blasphemie. Mit seiner Haltung zu Frauen und zur Wiederverheiratung predigt der katholische Klerus am Alltag seiner Gemeinde vorbei. Deshalb, nicht wegen der "Titanic", verliert die Kirche gesellschaftlich an Bedeutung. Das schürt Angst - und Fundamentalismus. Um den muss der Papst sich Sorgen machen, nicht um die "Titanic".

(Namentlich nicht gekennzeichneter Kommentar der "Neue Osnabrücker Zeitung" bei presseportal.de)