Lautsprecher & Widersprecher: Mediensysteme im Vergleich (Buchkritik)

Kommentar

Trotz des Trends der kommerziellen Globalisierung treffen wir weiterhin auf eine Vielzahl unterschiedlicher politischer Systeme – und nach wie vor prägen die politischen Systeme die Mediensysteme.

Wie aber lassen sich die Mediensysteme typologisieren? Wie viele Modelle gibt es? Forscher haben seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder versucht, solche Modelle zu bilden und zu begründen. Aber entweder waren sie zu pauschal oder sie bezogen sich bloß auf den nordatlantischen Westen. Roger Blum versucht in seinem Fachbuch "Lautsprecher & Widersprecher" Herbert von Halem Verlag) mit einem pragmatischen Differenz-Ansatz eine globale Typologie der Mediensysteme zu entwickeln. Zuerst werden die Mediensysteme von über 20 Ländern beschrieben, darunter Kuba, China, Ägypten, Russland, die Türkei, Italien, der Libanon, Frankreich, Deutschland, Österreich, die Schweiz, die USA und Brasilien. Danach wird der Ansatz mit seinen Kriterien vorgestellt, aus denen sich dann das Kommando-Modell, das Patrioten-Modell, das Schock-Modell, das Klientel-Modell, das Service-public-Modell und das liberale Modell ergeben.

Zu den Unterscheidungsmerkmalen gehören der Charakter des Regierungssystems, die Art der politischen Kultur, der Grad der Medienfreiheit, der Grad der Staatskontrolle über die Medien, die Frage, wem die Medien gehören und wer sie finanziert, der Grad der Liaison zwischen Medien und politischen Parteien, die Frage, ob die Medienkultur eher auf Kritik oder auf Harmonie ausgerichtet ist und schließlich die Frage, ob sich die Medien eher dem Kommerz oder dem Service public verschreiben. Im Kommando-Modell (ehemalige Sowjetunion) und im Patrioten-Modell (Ägypten) fungieren die Medien als Lautsprecher der Herrschenden. Im Service-public-Modell (Großbritannien) und im liberalen Modell (USA) sind sie Widersprecher der Herrschenden. Im Schock-Modell (kein Prototyp) und im Klientel-Modell (Italien? Griechenland? Ungarn?) besteht eine Ambivalenz zwischen Lautsprechern und Widersprechern.

Die Transparenz und Übersichtlichkeit der Modelle ist gleichzeitig die Schwäche der Blum-Typologie, die der Autor selbst erkennt: Die Gefahr, dass Länder über einen zu groben Kamm geschlagen werden, der ihnen nicht gerecht wird, ist gegeben. Trotzdem ist das Modell trotz aller Schwächen ein guter und geeigneter Ansatz, Mediensysteme sinnvoll zu vergleichen und zu typologisieren.

Lautsprecher und Widersprecher
Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme

Herbert von Halem Verlag
2014
444 S., 60 Tab., dt.
Broschur, 213 x 142 mm
ISBN 978-3-86962-049-7
32,00 EUR