Sex, Horror, Gewalt und Prostitution in den Medien

Bad News

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im dritten Quartal 2010 insgesamt 27 Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) festgestellt. Zehn davon kommen aus dem Rundfunk-, 17 aus dem Telemedienbereich. In einem Fall stellte die KJM einen Verstoß wegen einfacher Pornografie fest: Der Film "Akte Sexx", der im Nachtprogramm von Das Vierte lief, besteht nach Auffassung der KJM zum Großteil aus Sexszenen. Eine aufgesetzte, dünne Rahmenhandlung dient lediglich als Vorwand, eine Sexszene an die andere zu reihen.

Sie werden minutenlang gezeigt sowie visuell und akustisch intensiv inszeniert. Da aber die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) den Film vorab für das Nachtprogramm freigegeben und bei ihrer Entscheidung die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums nicht eindeutig überschritten hatte, konnte die KJM keine Maßnahmen ergreifen.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze 20 bis 6 Uhr) stellte die KJM in folgenden vier Fällen fest: In einer Tageszusammenfassung des Reality-Formats "Big Brother", die Viva und RTL 2 im Tagesprogramm sendeten, fallen drastische sexistische Äußerungen. Sie präsentieren stereotype Geschlechterrollen, wobei das weibliche Rollenbild auf sexueller Verfügbarkeit basiert. Ausschlaggebend für die Bewertung der KJM als Verstoß gegen den JMStV war, dass hier besonders Kindern unter 12 Jahren Einstellungen nahe gelegt werden, die ihre psychosoziale und psychosexuelle Entwicklung beeinträchtigen können.

Bei der Folge "Spurlos verschwunden" der Serie "Primeval - Rückkehr der Urzeitmonster", die Pro Sieben im Tagesprogramm ausstrahlte, sah die KJM in der Vielzahl von Grusel- und Horrorelementen ein hohes Ängstigungspotenzial. Sie beginnt mit einer bedrohlich wirkenden Eingangsszene und lässt den Zuschauer am Ende in einer angstgeprägten ungelösten Situation zurück. Dieser durchgehende Spannungsbogen kann - in Kombination mit gewaltgeprägten drastischen Bildern - Kinder unter 12 nachhaltig ängstigen.

Eine Ausgabe des RTL 2-Wissensmagazins "Welt der Wunder" zum Thema "Vampire", die im Tagesprogramm lief, stellt wegen entwicklungsbeeinträchtigender Gewaltdarstellungen einen Verstoß dar. Viele blutige Folterszenen und Ausschnitte aus dem Film "Bram Stokers Dracula" (FSK-Altersfreigabe ab 16 Jahren) machen die Sendung jugendschutzrelevant.

In einem Fall lag eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige vor (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr): In einer Folge von "Reality Affairs", einer so genannten "scripted reality" Doku-Soap, bewerben sich drei Frauen um einen Job im Bordell. Dabei wird das Prostituiertenmilieu - im Pro Sieben-Tagesprogramm - ohne jede kritische Kommentierung angepriesen. Eine solche Verharmlosung und Verherrlichung kann für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren problematisch sein.

In einem Fall lag eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 18-Jährige vor (Sendezeit-grenze 23 bis 6 Uhr): Eine Folge des Kampfsport-Castingformats "The Ultimate Fighter" strahlte DSF (heute Sport 1) - anders als 12 weitere von der KJM geprüfte Folgen - bereits vor 23 Uhr aus. Wegen des hohen Gewalt- und Identifikationspotenzials gerade für männliche Jugendliche geht die KJM von einer beeinträchtigenden Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus (vgl. Pressemitteilung 4/2010 vom 2. Februar).

In drei Fällen stellte die KJM Verstöße aufgrund der Bestimmungen zum Jugendschutz in der Werbung und im Teleshopping fest: Die KJM prüfte drei Ausstrahlungen im Tagesprogramm (einmal auf Pro Sieben und in zwei Varianten auf MTV) des Werbespots für den "Tag des Todes". Der Spot für eine Handy-Applikation, mittels der man sich sein Sterbedatum auf das Telefon schicken lassen kann, hatte vor Ausstrahlung der FSF vorgelegen und war für das Tagesprogramm freigegeben worden. Das Plenum stellte jedoch fest, dass die FSF bei ihrer Prüfung nicht ausreichend beachtet hatte, dass Werbespots, die sich an Kinder oder Jugendliche richten, nicht deren Unerfahrenheit ausnutzen oder deren Interessen schaden dürfen. Insofern stellte die KJM fest, dass die FSF ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat und die Ausstrahlung zu beanstanden ist. Zudem verhängte die KJM eine Sendezeitbeschränkung auf die Zeit von 23 bis 6 Uhr.

Internet

Die Jugendschutzrelevanz von Internet-Inhalten ist in der Regel ungleich höher als die von Fernseh-Sendungen. Weil Angebote im Netz außerdem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die Verstöße in Telemedien anonymisiert: Fünf Angebote sind nach dem JMStV unzulässig: Ein Angebot, das auf kinderpornografische Inhalte verlinkt. Ein Forum, das ohne ausreichende Altersverifikation offensichtlich schwer jugendgefährdende Inhalte verbreitet, indem es Selbstmord und Selbstverletzung in unkritischer Weise propagiert. Drei Angebote, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zeigen und/oder den Holocaust leugnen.

Acht Verstöße beziehen sich auf Angebote, die einfache Pornografie beinhalten. In Telemedien darf einfache Pornografie nur ausnahmsweise innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen den JMStV vor. Vier Angebote stellen aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar: Sie zeigten zum Zeitpunkt der Beobachtung erotische Bilder und explizite Schilderungen sexueller Vorgänge - auch bizarrer Sexualpraktiken - unterhalb der Pornografieschwelle.

In 19 Fällen konnte das Verfahren eingestellt werden, da die jugendschutzrelevanten Inhalte nach der Intervention durch die KJM entfernt worden und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Einstellung (kein absolut unzulässiges Angebot, kein Wiederholungstäter) gegeben waren. Die KJM beschloss - je nach Art und Schwere der Verstöße - Beanstandungen, Untersagungen oder Bußgelder. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch. Strafrechtlich relevante Inhalte gibt die KJM an die zuständigen Staatsanwaltschaften ab. In knapp 40 Fällen beantragte die KJM im dritten Quartal 2010 die Indizierung eines Telemedienangebots bei der BPjM. Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf tierpornografische Internetangebote. In weiteren gut 30 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der BPjM ab, die von der BPjM bei ihrer Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Damit befasste sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit rund 3.880 Fällen - mehr als 760 im Rundfunk und 3110 in Online-Bereich.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat sich am 2. April 2003 konstituiert. Sie nimmt gemäß dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) die Aufsicht über Rundfunk und Telemedien (Internet) wahr. Mitglieder sind sechs Direktoren der Landesmedienanstalten, vier von den Ländern und zwei vom Bund benannte Sachverständige.