Mediennutzung 2024: Fokus auf das Wesentliche

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Individuelle Kontrolle ist in Zukunft angeblich das größte Bedürfnis der Mediennutzer. Die Konsequenz sei eine Konzentration auf das Wesentliche, um Ausmaß, Geschwindigkeit, Vielfalt, Vernetzung und Komplexität der Angebote Herr werden zu können.

In letzter Konsequenz könne dieser tiefe Wunsch nach mehr Kontrolle auch zum völligen Medienverzicht führen. Das ist das zentrale Ergebnis der qualitativ-psychologischen Grundlagenstudie "Mediennutzung 2024", die das Kölner rheingold institut im Auftrag der WDR mediagroup (WDRmg) durchgeführt hat.

Basis der Ergebnisse sind tiefenpsychologische Interviews, die vor allem die Wünsche, aber auch die Hoffnungen, Befürchtungen und Bedürfnisse der Zuschauer, Zuhörer und Nutzer für die Zukunft herausfiltern. Dabei wird deutlich, dass sich die Mediennutzung für die Endverbraucher insgesamt ambivalent darstellt. So ermöglicht das Internet einerseits den inhaltlich und zeitlich fast unbegrenzten Zugriff auf alles. Andererseits führt dies aber auch zu Ängsten wie beispielsweise vor Abhängigkeit und Isolation oder zu Wünschen wie nach Abgrenzung und "echtem" Leben. Der Faszination der Möglichkeiten steht also eine Suche nach Lösungen gegenüber, diese individuell nutzbar zu machen. Während sich der Durchschnitt der Nutzer getrieben fühlt von der Dynamik der Medienentwicklungen, verfügen die sog. "Early Adopter" über eine höhere Kompetenz im Umgang mit den Chancen, die aktuelle Entwicklungen mit sich bringen. Sie entwickeln eher neue Gewohnheiten, die jedoch auch immer mit einer Auswahl und somit in der Folge mit einer Begrenzung der Vielfalt einhergehen.

Die Studie "Mediennutzung 2024" identifiziert sechs wesentliche Trends, die das Nutzungsverhalten der Medienkonsumenten in Zukunft prägen werden. Dominiert von dem Mega-Trend nach gesteigerter individueller Kontrolle sollten sich Medienanbieter auf die folgenden Trends einstellen, um weiterhin die Bedürfnisse der Nutzer zu erfüllen und somit in der Vielfalt der Angebote zu bestehen:

Flexibilisierte Nutzung: Immer, überall, zu jeder Zeit - dieses Motto der Mediennutzung gilt nicht nur für Online-Inhalte, sondern auch klassische Medieninhalte müssen sich an diesem Verfügbarkeitsmantra messen lassen. Dabei lösen sich zukünftig die bekannten Rezeptionsverläufe auf, neue Nutzungskontexte entwickeln sich. In der Folge nehmen Angebote an Bedeutung zu, die sich flexibel anpassen an die Auswahl der Inhalte, Zeitpunkt und Ort der Rezeption, Länge der Formate, Grad der Involviertheit und Vernetztheit oder Wahl des Endgerätes.

Personalisierte Programme: Die Vielfalt der Angebote wird beim Nutzer auch mit Blick auf Bewegtbild- und Audio-Inhalte neue Umgangsformen mit den großen Mengen an Inhalten bewirken. Das Selektions- und Verwaltungsverhalten wird sich noch mehr individualisieren und anpassen, die Auswahl wird immer schneller, volatiler und kleinteiliger getroffen. Das bietet Chancen z.B. für Nischenanbieter oder lokale Themen. Bei Überfrachtung üben die Nutzer allerdings den Rückzug auf vertrautes Terrain, was etablierten Anbietern zugutekommen wird.

Sinnvolle Vereinfachung: Die zunehmende Technisierung zum Handling der Medieninhalte führt zu einer Überforderung der Nutzer. Hier können Angebote helfen, die eine Verbesserung der Nutzung liefern, z.B. bei Installation, Zugang, Steuerung und Vernetzung sowie Auffindbarkeit und Verwaltung von Inhalten. Der Wunsch nach Vereinfachung überträgt sich aber auch auf die Inhalte selbst, die kurz und einfach rezipierbar sein sollen. Oder aber auf das Angebot, wenn es wie z.B. lineares Radio oder TV den Rückzug auf Bekanntes und Besinnung auf Wesentliches verspricht.

Kuratierte Vielfalt: Die Suche nach passenden Inhalten in der unendlichen Angebotsvielfalt führt bei den Nutzern zu einer Konzentration auf Qualität und Vertrauenswürdigkeit, da die Trennung zwischen kommerziellen und journalistischen Inhalten immer schwerer fällt. Gleichzeitig mündet die Personalisierung in einer Isolation, die in der Suche nach Absicherung durch vertrauenswürdige Autoritäten endet. Hier können gelernte Medienmarken ihr gewachsenes Image nutzen, um eine Sortierung und Bewertung als Gegenpol zu user-generated oder gekauft anzubieten.

Mitbestimmung und -gestaltung: Hier setzt das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten die Medien insgesamt unter Zugzwang. Da Mitwirkung den Eindruck von Selbstwirksamkeit und Sinnstiftung vermittelt, erwarten die Nutzer dieses Angebot übergreifend. Allerdings droht ein Konflikt, weil Mitgestaltung dem Wunsch nach lean-back widerspricht und die (kuratierte) Qualität beeinflusst. Social Radio wird hier einen einfachen Zugang haben, da es per se unmittelbar und interaktiv ist. Social TV mit eher zurücklehnender und entlastender Haltung sollte eher auf eine beruhigende Funktion setzen.

Gesteigerte Erlebnisqualität: Fragmentierung, Flexibilisierung, Personalisierung und Interaktivität erschweren es in Zukunft, die Nutzer mit nur noch einem Inhalt zu packen und zu fesseln. Zwar verspricht die Hardware mit ausgereifter Technik eine spannendere Rezeption, ausschlaggebend ist jedoch auch die Qualität der Inhalte, begleitet von Social-Media-Angeboten zur Steigerung des Erlebnisses. Hochwertige Stoffe, die bewegen und mitreißen, können vor allem im Bewegtbildbereich die Nutzer binden, Audio kann durch visuelle Ergänzungen noch mehr involvieren.

Die Studie steht in einer Zusammenfassung sowie einer ausführlichen Präsentation hier zum Download bereit.