Mehr als Hudson River und #Facebookdown: Das kann Twitter als Werbemedium

Kommentar

Am 15. Januar 2009 schrieb der Microblogging-Dienst Twitter Mediengeschichte. Ein Flugzeug von US Airways musste im Hudson River notlanden. Janis Krums war einer der ersten, die ein Foto davon schossen und über Twitter verbreiteten.

Das Bild wurde von zahllosen Medien für die Berichterstattung aufgegriffen. Es zeigt: Twitter ist der Kanal für Breaking News, für die schnelle Kommunikation per Bild und 140 Zeichen. Auch 2015 ist die Wirkung des Dienstes ungebrochen. Als Ende September 2015 Facebook für eine Stunde offline war, zählte der Hashtag #Facebookdown auf Twitter zu den Trending Topics weltweit.

Mittlerweile geht man von 3,8 Millionen Twitter-Nutzern in Deutschland aus, im DACH-Raum sind es 4,25 Millionen. Dabei ist Twitter ein Medium, das vorwiegend über mobile Geräte genutzt wird. 80 Prozent der monatlich aktiven Twitter-User weltweit kommen über ein mobiles Endgerät.[1] 2014 lagen die Werbeeinnahmen von Twitter bei rund 1,403 Milliarden US-Dollar, Tendenz steigend.[2] Auch deutsche Unternehmen sehen in Twitter einen attraktiven Marketingkanal. 2014 nutzten beispielsweise 71 Prozent der 1.000 größten Onlineshops in Deutschland einen Twitter-Account.[3]

Der Promoted Tweet

Wichtigstes Werbeformat bei Twitter ist der Promoted Tweet. Die Anzeige sieht aus wie ein normaler Tweet, ist aber mit der Kennzeichnung „gesponsert“ versehen. Promoted Tweets können jedoch, wie jeder andere Tweet auch, favorisiert, retweetet oder beantwortet werden und so zusätzliche kostenlose Reichweite erzielen. Die Anzeigen können sowohl zum Follower-Aufbau eingesetzt werden, als auch Links zu externen Websites enthalten. Zudem lassen sich App-Downloads bewerben. Neben den üblichen 140 Zeichen bietet Twitter die Möglichkeit, Fotos und Videos in die Werbeanzeige miteinzubinden. Diese Option sollten Unternehmen unbedingt nutzen, denn laut Twitter haben Promoted Tweets mit Bildern oder Videos über 300 Prozent mehr Engagement und 50 Prozent mehr Retweets als Anzeigen, die nur aus Text und URL bestehen.

Erstellung einer Zielgruppe

Twitter bietet bei der Zusammenstellung von Zielgruppen vielfältige Möglichkeiten, um die Onlinewerbung zielgruppenorientiert auszuliefern (im Fachjargon „Targeting“). Neben soziodemografischen Daten, wie Geschlecht, Sprache oder Geodaten, bietet Twitter die drei Kernfilter Keywords, Interessen, Follower. Bei Keywords besteht die Möglichkeit, die Zielgruppe nach Schlagwörtern zu segmentieren, die mit dem Werbeziel des Unternehmens in Verbindung stehen. Für das Interessen-Targeting bietet Twitter 25 Oberkategorien, die wiederum in zehn bis 20 Unterkategorien aufgeteilt sind. Das Targeting auf Follower ist besonders für Nischenzielgruppen ideal. Erfolgt die Ausspielung beispielsweise auf Follower, die einem Meinungsführer, Fachzeitschriften oder Wettbewerbern folgen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die ein hohes Interesse an thematisch angrenzenden Themen haben.

Sieben Tipps für erfolgsstarke Promoted Tweets

Viele Firmen, die Erfahrungen mit Twitter als Werbemedium sammeln wollen, begehen den Fehler und schöpfen die Möglichkeiten nur halbherzig aus. Die Zielgruppe wird definiert, aber nicht weiter optimiert, oder es wird nur ein einzelner Tweet promoted. Hier einige Tipps, was man beachten sollte.

1. Kurz und knackig, aber auch unterhaltsam
Promoted Tweets sollten kurz und aussagekräftig getextet werden, denn das Mediennutzungsverhalten auf Twitter ist stark vom Screening, also vom „Überfliegen“, geprägt. Die ideale Länge liegt verschiedenen Studien zufolge zwischen 71 und 100 Zeichen. Das steigert die Interaktionsrate um 17 Prozent.[4] Und immer an das Motto denken: „Bild schlägt Text und Bewegtbild schlägt Bild“. Werbungtreibende können einen Promoted Tweet zum Beispiel mit einem sechssekündigen Video aufpeppen. Für das Anhängen von Video an einen Tweet kooperiert Twitter mit der Mikro-Video-App Vine. Laut Twitter sind die Video-Aufrufe im letzten Jahr um den Faktor 150 gestiegen und 90 Prozent davon kamen über mobile Endgeräte. (Die Bekanntgabe dieser Zahlen in einem Tweet von Twitter ist sehenswert und veranschaulicht gleichzeitig den Nutzen von Vine.)

2. Cards für mehr Aufmerksamkeit
Für Kampagnen, mit denen Unternehmen die Twitter-User auf ihre Website bringen möchten, damit sie dort eine gewünschte Handlung ausführen (im Fachjargon „Conversion-Kampagnen“), empfiehlt sich die Nutzung von sogenannten Cards. Cards sind Erweiterungen in Promoted Tweets mit Bildflächen, zusätzlichen Zeichen für die Werbebotschaft und einem Call-to-Action-Button (Handlungsaufforderung), der selbst beschriftet werden kann, beispielsweise mit „Jetzt anmelden“ oder „Mehr erfahren“. Gegenüber einem normalen Promoted Tweet mit URL ist das Engagement mit Cards laut Twitter 40 Prozent höher.  

3. App-Downloads pushen
Besitzt der Werbungtreibende eine App, können Installationen über einen Promoted Tweet beworben und direkt ausgeführt werden. Dazu bietet Twitter App-Cards, die eine Vorschau der Anwendung, Bewertungen und einen Call-to-Action enthalten. Klicken die Nutzer auf die App-Card, werden sie direkt zum Apple App Store oder zum Google Play Store weitergeleitet. Wichtig ist eine genaue Aussteuerung der Anzeige nach mobilen Geräten, Betriebssystem und passenden Interessen je nach Inhalt oder Anwendung der App.

4. Weniger Hashtags sind mehr
Wenn der Promoted Tweet den Nutzer dazu einladen soll, auf den Call-to-Action-Button oder die URL zu klicken, sollten keine Hashtags in die Werbeanzeige eingebunden werden. Das lenkt den Nutzer nur unnötig ab und schmälert die Chance, dass er den „richtigen“ Klick macht.

5. Testing für effiziente Kampagnen
Unternehmen sollten pro Kampagne drei bis vier inhaltliche Varianten und Bildmotive ausprobieren und dabei mit Hypothesen arbeiten: „Wenn <etwas> durch <XY> verändert wird, erreicht man <Ergebnis>.

6. Twitter Insights für mehr Einblicke
Für den Kampagnenerfolg müssen Werbungtreibende die Aussteuerung der Anzeige, also welche Zielgruppen die Anzeige zu sehen bekommen,  ständig optimieren. Dazu eignet sich Twitter Insights. Das Dashboard bietet aggregierte Nutzerdaten hinsichtlich Demografie, Kaufverhalten, Interessen usw. an. Oftmals ergeben sich dadurch Einblicke in andere Zielgruppencluster, die in der Kampagnenkonzeption gar nicht bedacht worden sind.

7. Conversion Lift Report und Tipps von Twitter
Ein weiteres Reporting-Tool ist der neue Conversion Lift Report. Die benutzerdefinierte, datengesteuerte Analyse, die bei Twitter angefordert werden muss, hilft laufende Kampagnen zu optimieren, indem die Kampagnenwerte mit einer Kontrollgruppe verglichen werden. Um auf dem Laufenden bezüglich Produkt-Updates und Fallstudien zu bleiben, lohnt es sich, Twitter selbst auf Twitter zu folgen: https://twitter.com/Twitterads und https://twitter.com/TwitterSmallBiz.

Twitter als Werbemedium: Nutzerzahlen, Kriterien für die Zielgruppenselektion im B2B und Werbeformat-Highlights (Bild: rabbit performance) 

Wie geht’s weiter?

Wie auch andere soziale Netzwerke hat Twitter in den USA bereits mit einem Buy Button experimentiert. Er ermöglicht es, direkt aus einer Werbeanzeige heraus das gezeigte Produkt zu kaufen. Seit September dieses Jahres können US-Onlineshops, die auf den großen E-Commerce-Plattformen Bigcommerce, Demandware und Shopify laufen, den Buy-Button in ihre Promoted Tweets einbinden. Ob der Buy Button bei Werbungtreibenden und Twitter-Nutzern Anklang findet und auch in andere Länder ausgerollt wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall ist er ein wichtiger Schritt für den Bereich Mobile Commerce.

Zweite große Neuerung bei Twitter, über die grad heiß spekuliert wird, ist eine mögliche Auflösung der 140-Zeichen-Grenze für Tweets. Experimentieren muss erlaubt sein und am Ende des Tages entscheiden die User selbst, ob sie a) länger tweeten wollen und b) ob Sie die längeren Tweets annehmen und weiterverbreiten. Mehr Textzeichen bedeuten nicht unbedingt, dass derselbe Inhalt in längeren Sätzen verpackt wird, sondern dass mehr Informationen zur Verfügung stehen. Freuen wir uns also auf eine neue Spielart und spannende (Promoted) Tweets.

(Weitere Tipps für Kampagnen auf Twitter zur Leadgenerierung.)

Uwe-Michael Sinn ist Geschäftsführer der Agentur rabbit performance, die auf  Prospect Relationship Management spezialisiert ist. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen dabei zu helfen, neue gewinnbringende Zielgruppen im Internet zu finden, wirkungsvoll anzusprechen und in Leads oder Kunden zu verwandeln. Dafür werden verschiedene Online-Marketing-Maßnahmen wie etwa Social Media Advertising, E-Mail-Marketing, Retargeting, Native Advertising oder Displaywerbung eingesetzt. 

[1] Twitter, offizielle Quartalszahlen Q1 2015, http://de.statista.com/infografik/1518/monatlich-aktive-nutzer-von-twitter-weltweit/

[2] emarketer, 2015: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/171364/umfrage/werbeeinnahmen-von-twitter-weltweit/

[3] EHI Retail Institute, E-Commerce-Markt Deutschland 2014: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/172636/umfrage/nutzung-von-facebook-und-twitter-durch-online-shops-in-deutschland/

[4] http://blog.sumall.com/journal/internet-zoo-ideal-length-everything-online.html