Glosse: Wie TV-Serien wieder ein richtiges Bild der Berufswelt vermitteln!

Glosse

Da haben wir also eine zweifellos interessante Studie des Institutes für Kommunikationswissenschaft (IfK) der Universität Münster. Diese wird in einer Pressemeldung wie folgt vorgestellt:

Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Desperate Housewives, CSI Miami oder Dr. House: Fernsehserien erfreuen sich großer Beliebtheit - vor allem, weil die Zuschauer sich mit den "Soap"-Charakteren identifizieren und Teile ihres eigenen Lebens wiedererkennen können. Aber spiegeln die Serien tatsächlich die Realität wider? Nein! Zumindest nicht, was die Berufswelt betrifft. Das belegen erste Ergebnisse eines empirischen Lehrprojekts, das unter der Leitung von Professor Volker Gehrau am Institut für Kommunikationswissenschaft (IfK) der Universität Münster durchgeführt wurde. Junge Menschen in Serien arbeiten hauptsächlich im Medienbereich, der Modebranche oder der Gastronomie. Änderungsschneider, Bauglaser oder Mechatroniker sucht man dagegen meist vergeblich.Ach, ehrlich? Woran das bloß liegen könnte?

Der Vergleich der Berufsverteilung in Fernsehserien mit der Berufsstatistik des Statistischen Bundesamtes macht deutlich: Die Berufswelt in den Serien hat mit der Realität wenig gemein. Während fast jeder Dritte der knapp 40 Millionen berufstätigen Deutschen im Jahr 2007 in der Produktion beschäftigt war, ist es in den Serien nur etwa ein Prozent. Dagegen arbeiten in den Serien je 30 Prozent in der Gastronomie und im Bereich der sonstigen Dienstleistungen. In der Realität sind diese Berufsgruppen mit drei und sieben Prozent wesentlich kleiner. Insgesamt sind 35 Prozent der Serien im deutschen Fernsehen thematisch in den Bereichen Verwaltung und Verteidigung angesiedelt. 19 Prozent spielen im Gesundheits- und Sozialwesen. Dieses verzerrte Bild der Berufswelt wirkt sich nachhaltig auf die Berufsvorstellungen Jugendlicher aus: So steigt beispielsweise der Wunsch, im Gesundheitswesen zu arbeiten signifikant mit dem Konsum von gesundheitsbezogenen Serien an.Wenn ich da an Doctor´s Diary denke: Oh Gott, oh Gott! Ich geh nie mehr ins Krankenhaus!

Dem Projekt liegt die Annahme zugrunde, dass durch Lernprozesse und Kultivierungseffekte die Medien – insbesondere das Fernsehen – den jugendlichen Berufswahlprozess in nicht unerheblichem Maße beeinflussen.Ehrlich, Medien können (junge) Menschen beeinflussen? Das ist ja Wahnsinn!

Es wurde also belegt, was ohnehin jeder Medienkenner gewußt oder zumindest geahnt hat. Dafür gebührt den Machern der Studie Respekt. Noch besser aber wäre es, aus diesen Erkenntnissen Thesen für TV-Sender und Drehbuchautoren abzuleiten, wie in Zukunft Quote (denn nur darum geht es, liebe Münsteraner Forscher) mit anderen Berufen in Serien verknüpft werden können.

Hier einige Vorschläge von medienmilch.de:

Die Gewerkschaften und/oder Berufsverbände engagieren arbeitssuchende Drehbuchautoren, die für TV-Sender quotenträchtige Treatments und Drehbucher aus echten Arbeitsumfeldern erstellen, bei Abbildung des Gewerkschaftslogos natürlich kostenlos (bis auf Anteile beim Verkauf der Rechte ins Ausland!).

Immer noch keine Vorstellung? Mensch, ist doch einfach. Hier einige konkrete Formatideen:

Clear Cut! - Änderungsschneider wehren sich (Krimi-Fiction-Soap)

Das Fenster zum Hof - Was Bauglaser so sehen! (scripted Doko-Soap)

Wo ist meine Mutter? - Mechatroniker auf Familiensuche (Doko-Soap)

Jetzt aber los und schnell machen, sonst bekommen wir noch mehr unfähige Medienmanager, Journalisten, Ärzte, Modemacher und Kneipenwirte.

Oliver Hein-Behrens