Es ist nicht der Stinkefinger, es geht um Wahrheit oder Lüge

Glosse

Gerade wieder einen "Medienwissenschaftler" im Radio zur Jauch-Böhmermann-Debatte gehört. Er sagt doch tatsächlich sinngemäß, dass es ...

... egal wär, ob Varoufakis nun tatsächlich den Stinkefinger gezeigt hätte oder nicht. Nein, vielmehr wäre es wichtig, zu sehen, wie toll Böhmermann aufgezeigt habe, wie absurd der Medienbetrieb funktioniert. Abgesehen davon, dass dieser Vollakademiker damit nur repetiert, womit Böhmermann seine ganze Desinformationsaktion legitimiert, das ist komplett unzureichend in der Analyse!

Es geht inzwischen vielmehr doch - neben der Vorgehensweise Jauchs, über die man unter journalistischen Qualitätsaspekten gerne auch streiten darf - um Politik. Es geht um die Frage: Hat Varoufakis nun gelogen oder die Wahrheit in Bezug auf den Stinkefinger-Video gesagt. Um diese Frage zu beantworten, muss - nicht wie aktuell zu 95 - sondern zu 100 Prozent die Echtheit oder die Fäschung des Videos von Fachleuten bestätigt werden. Es geht um den Beweis, der noch fehlt. Geschieht dies nicht, kann tatsächlich grundsätzlich keinem Bewegtbild mehr vertraut werden - mit fatalen medialen Wirkungen. 

Und es geht (wieder einmal) um die Frage, was Satire darf. Darf sie - wie im Fall Böhmermann - durch eine konstruierte Desinformation vorgeben, etwas könnte gefälscht sein, weil sie selber prima fälschen kann. Darf sie - und wir meinen wieder Böhmermann, nicht Jauch - sich der aufmerksamkeitsstarken Fokussierung lange zurückliegender Stinkefinger bedienen, um damit gleichzeitig den Moralfinger zu erheben - und natürlich auch ein wenig die eigene Quote. Anders gefragt: Darf Satire für den kommerziellen Erfolg lügen?

ohb