Interview: Die Zutaten für die Google Streetview-Torte kosteten 4,95 Euro (exklusiv)

Interview

Was für eine PR-Überraschung: Der Allgäuer Schrothkurort Oberstaufen vor allen namhaften Städten als allererster deutscher Ort bei Google Street View – mit entsprechender Medienresonanz. Grund für medienmilch.de, sich einmal exklusiv und ausführlich mit Bianca Keybach, Tourismus-Chefin von Oberstaufen, über die Entstehungsgeschichte dieser PR-Erfolgsstory sowie die Bedeutung des Internets für das Tourismusmarketing zu unterhalten:

Oberstaufen vor Hamburg, München, Berlin, Frankfurt etc. als erste deutsche Stadt bei Google Street View. Wie ist Ihnen denn dieser Marketing-Coup gelungen? 

Bianca Keybach:
Wir als Tourismusverantwortliche sahen Google Streetview schon lange sehr positiv. Als die Diskussion dann zum Sommerlochthema wurde und beinahe ausschließlich negativ und kritisch berichtet wurde, hatten wir das Bedürfnis mitzuteilen, dass nicht ganz Deutschland gegen Google Streetview ist, sondern ein kleines Dorf im Allgäu sich gerne über den Kartografiedienst präsentieren würde. Das haben wir getan indem wir kurzerhand eine Torte mit der Aufschrift "Streetview - Willkommen in Oberstaufen" gebacken und auf unsere Facebook-Seite gepostet haben. Innerhalb von wenigen Tagen verbreitete sich der Kuchen wie ein Lauffeuer in der Internet-Landschaft, zahlreiche Pressevertreter fragten an. Irgendwann klingelte das Telefon und Google-Mitarbeiter Stefan Keuchel war an der anderen Leitung. Google fand unsere Aktion sehr sympathisch, berichtete mir, dass Oberstaufen bereits teilweise fotografiert wurde und sie diese Ansichten gerne in Streetview frei schalten würden. Vorher musste natürlich sichergestellt werden, dass die Oberstaufener umfassend Informationen erhalten und auch die Gelegenheit haben, gegebenenfalls ihre Häuser unkenntlich zu machen.

Für alle, die Oberstaufen tatsächlich nicht kennen sollten: Machen Sie doch bitte mal ein paar Sätze Werbung. 

Bianca Keybach:
Oberstaufen liegt im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz, unweit des Bodensees. Unser größtes Kapital ist sicher die Trilogie der Landschaft mit flachen Niederungen, Hochebenen und alpinem Gelände. Da kommt jeder Naturgenießer auf seine Kosten. Zahlreiche Gäste reisen zur Schrothkur zu uns. Das Naturheilverfahren hat nichts mit Körneressen zu tun, sondern ist nach seinem Begründer Johann Schroth benannt. Bei dieser besonderen Art des Heilfastens werden die Selbstheilungskräfte aktiviert und den klassischen Zivilisationskrankheiten (Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Migräne usw.) vorgebeugt bzw. entgegen gewirkt. Außerdem sind wir bekannt für unsere getränkebezogene Kommunikationsgastronomie. Während in anderen Kurorten früh abends die Bürgersteige hochgeklappt werden, kann man bei uns in vielen Tanzlokalen und Bars die Nacht zum Tag machen. Mit Oberstaufen PLUS erleben Oberstaufen Urlauber gleichzeitig das gesamte Freizeitangebot kostenlos - vom Gästebus über das Erlebnisbad bis hin zu Bergbahnticket, Skipass und Greenfee.

Hat Sie die Street View Aktion eigentlich etwas gekostet?

Bianca Keybach:
Ja, 4,95 Euro. Soviel kosteten die Zutaten für die Streetview-Torte.

Wie viele Presseanfragen und -Veröffentlichungen hat Ihnen das Thema bisher schon gebracht?

Bianca Keybach:
Ich habe aufgehört zu zählen. Wir hatten über 15 Fernsehteams hier und alle bekannten Printmedien haben über unseren Streetview Start berichtet sowie Interviews mit Bürgermeister Walter Grath oder mir geführt. So ein Medieninteresse hatten wir wohl noch nie.

Sind auch die Besucherzahlen auf der Tourimus-Homepage oberstaufen.de durch die Street View Aktion nach oben gegangen?

Bianca Keybach:
Oh ja, die Zugriffszahlen haben sich mehr als verzehnfacht. Ich bin wirklich froh, dass unsere Seite nicht zusammen gebrochen ist, bei diesem immensen Interesse.

Welche Bedeutung hat Street View Ihrer Meinung nach im touristischen Marketing-Mix? Wollen Sie mit dieser Aktion neue Zielgruppen ansprechen?

Bianca Keybach:
Streetview ist ein neues Medium das dem potenziellen Gast ein realistisches Bild vermittelt, wie es kein Prospekt und auch keine Homepage tun kann. Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere Streetview-Nutzer der Oberstaufen bisher nicht kannte, nun virtuell durch die Straßen schlendert, sich in unseren schmucken Ort verliebt und dann vielleicht auch einen Urlaub hier verbringen möchte.

Welchen Anteil hat das Internet im Marketing-Mix für Oberstaufen heute und in Zukunft Ihrer Meinung nach?

Bianca Keybach:
Oberstaufen hat mittlerweile in der Tourismus-Branche eine Vorreiterrolle beim Thema Internet eingenommen. Natürlich ist auch der Anteil im Marketing-Mix entsprechend hoch. Die Gewichtung wird sich sicher auch in Zukunft weiter in Richtung www entwickeln. 

Wie viele touristische Anfragen und wie viele Buchungen bekommen Sie jährlich via Internet und wie ist hier der Trend in den letzten Jahren?

Bianca Keybach:
Das ist sehr schwer zu sagen, weil man nicht alle touristischen Anfragen, die über das Internet kommen zählen kann - z.B. wenn sich Urlaubsreife online informieren, dann aber beim Gastgeber anrufen um zu buchen. Es gibt auch Buchungen und Anfragen, die online stattfinden ohne dass sie bei uns auftauchen. Für die Bereiche die wir statistisch fest halten können ist aber eindeutig eine Tendenz nach oben zu beobachten. Die Menschen werden immer mutiger. Eine Online-Buchung ist heutzutage nichts Exotisches mehr

Sie haben wie schon erwähnt auch Facebook- und Twitter-Seiten. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Bianca Keybach:
Die Sozialen Netzwerke sind zwischenzeitlich bei der Zielgruppe angekommen. Das Durchschnittsalter unserer Urlauber liegt bei 46 Jahre. Viele davon sind bei Facebook Oberstaufen-Fans oder folgen uns auf Twitter. Wir sind schon seit langem aktiv im Web 2.0, haben bereits Erfahrungen gesammelt und deshalb vielen Kollegen gegenüber einen gewissen Vorteil. Ich genieße es sehr, öffentlich mit den Menschen zu kommunizieren, zu diskutieren, Fragen zu beantworten und einfach ein Mehr an Service zu bieten. Mittlerweile kann ich mir gar nicht mehr vorstellen wie es war ohne Twitter und Facebook.

Welche grundsätzlichen Empfehlungen hat die Oberstaufen Tourismus Marketing GmbH an andere Städte/Kommunen, um einmal einen solchen PR-Coup zu landen?

Bianca Keybach:
In Oberstaufen waren die Menschen schon immer sehr offen für Neues. Gleichzeitig versuchen wir zuerst einmal das Positive zu sehen - auch wenn alle anderen lieber auf der Seite der Bedenkenträger stehen. Optimistisches Querdenken ist die Devise. Und wenn man dann noch eine Extraportion Herzblut hat, dann hat man gute Chancen. Man muss nicht verrückt sein, um als Kurdirektor zu arbeiten - aber es hilft ungemein ;-)

Das Interview mit Bianca Keybach führte Oliver Hein-Behrens.