Buchkritik: Unbekannter Islam

Kommentar

Wussten Sie, dass die meisten Muslime in Indonesien (203 Millionen), Pakistan (174 Millionen), Bangladesch (145 Millionen) und Indien (161 Millionen) leben? Ich jedenfalls nicht. Oder das Goethe den Koran las und sogar eine „Mahomet-Tragödie“ plante?

Oder das Zahnpflege dem Propheten Mohammed besonders „am Herzen“ lag und er am liebsten das Zähneputzen zur Pflicht vor jedem Gebet gemacht hätte, ihm aber das dann doch zu viel verlangt schien?

Das Spiegel-Buch „Der Islam - 1400 Jahre Glaube, Krieg und Kultur“ von den Herausgebern Dietmar Pieper und Rainer Traub gibt in 30 Beiträgen diese und viele weitere interessante Informationen zu einer Weltreligion, die seit den Terroranschlägen vom 11. September 2011 häufig medial auf die radikalen Islamisten und Terroristen verkürzt wird.

In dem Beitag von Michael Sontheimer „Mein Nachbar, der Feind“ erfährt der Leser, dass die britische Islamic Education & Research Academy 2010 eine Studie veröffentlichte, in der 75 Prozent der Befragten meinten, der Islam und die Muslime hätten sich negativ auf die Gesellschaft ausgewirkt. Nur 37 Prozent widersprachen der Behauptung „Muslime sind Terroristen“. Zur Hintergrundinformation: In Großbritannien leben 2 Millionen Muslime, in Deutschland doppelt so viele.

Geprägt sei das Bild der Muslime in Europa weniger durch diese selbst als durch die Darstellung in den Medien. Das Muslime in den Medien würden nicht fair dargestellt werden, denken 72 Prozent der Befragten in Frankreich, Deutschland und Großbritannien im Rahmen in einer Studie des Londoner Institute for Strategic Dialogue. Für den Anthropologen Schiffauer haben die Muslime nach dem Zusammenbruch des Kommunismus gar die neue Rolle des „Feindes“ übernommen, des Feindes im Inneren.

Das Buch schafft es, die klassische Schwarz-Weiß-Sicht des Mainstreams und des ausufernden Halbwissens in Bezug auf die Weltreligion Islam durch viele Informationen und Themen zu durchbrechen, ohne dabei die zweifellos vorhandenen brutalen Schattenseiten der religiösen Eiferer und Geblendeten in dieser Religion zu vergessen.

Geht man davon aus, dass nur umfassende Informationen zu einem Thema dem Leser die größtmögliche eigenständige und unabhängige Sicht geben kann, macht spätestens dies das Buch für jeden lesenswert, der mehr über den Islam erfahren will.

 

DIETMAR PIEPER (HRSG.), RAINER TRAUB (HRSG.)
Der Islam1400 Jahre Glaube, Krieg und Kultur
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 288 Seiten, 13,5 x 21,5 cm mit Abbildungen
ISBN: 978-3-421-04520-1€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 30,90* (empf. VK-Preis)
Verlag: DVA Sachbuch