Wikileaks, die Pressefreiheit und politische Trittbrettfahrer

Kommentar

"Wikileaks ist tot" ist die heutige Headline des Kommentars in Welt online. Julian Assange habe Wikileaks „durch eine Mischung aus Schlamperei und Selbstüberschätzung endgültig zerstört“. Von einem Supergau ist in vielen Medien die Rede. Sogar NDR info bringt in den 9:00 Uhr Nachrichten einen Abgesang auf die Enthüllungsplattform. Der Grund:

Im Internet existiert nicht nur eine verschlüsselte Datei mit den Klarnamen vieler Agenten und Informanten der US-Regierung, sondern auch das Passwort, um diese Klarnamen zu lesen. Julian Assange weist laut Hamburger Abendblatt aber jegliche Verantwortung von sich. Der Guardian, einer der wenigen weltweit exklusiven Medienpartnern von Wikileaks, und der dort arbeitende Reporter David L. seien schuld – und auch ein wenig der abtrünnige Daniel Domscheit-Berg.

Nun zeigt also jeder mit dem Finger auf den anderen. Das sorgt schnell für Trittbrettfahrer aus der Politik: CDU-Politiker und Hardliner wie Siegfried Kauder fordern als Konsequenz aus dem Datenleck bei Wikileaks härtere Strafen für Geheimnisverräter. Die Pressefreiheit sei zwar ein hohes Gut, aber auch für sie gibt es Grenzen, soll Kauder gesagt haben.

Die Reaktion darauf kam ebenfalls schnell: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Kauders Forderungen zurückgewiesen. "Das Bundeskabinett hat aus gutem Grund Schluss gemacht mit der Kriminalisierung von Journalistinnen und Journalisten, die brisantes Material veröffentlichen", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. "Es gibt nicht den geringsten Grund, an der Gesetzeslage etwas zu ändern. Daran ändert auch die Datenpanne im Zusammenhang mit den Wikileaks-Dokumenten nichts.

"Mit diesem völlig untauglichen Vorschlag – so der DJV weiter - mache Kauder Anleihen beim ungarischen Mediengesetz, das die Freiheit des Journalismus de facto abgeschafft habe. "Wer soll vor der Veröffentlichung von Artikeln kontrollieren, wie deren Auswirkungen auf die Menschen sein könnten? Will Herr Kauder in Deutschland wieder die Zensur einführen?" fragte Konken. "Pressefreiheit und Informantenschutz sind unveräußerliche Rechtsgüter des demokratischen Staatswesens."

Der DJV-Vorsitzende bedauerte auch, dass Kauder nur ein Dreivierteljahr nach seinem letzten Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken, wieder einen neuen Anlauf mit dem gleichen Ziel unternehme. Im November 2010 hatte er aufgrund der Gefahr möglicher Terroranschläge gefordert, dass der Staat in solchen Fällen kritische Berichterstattung reglementieren können müsse.

Tja, politische Trittbrettfahrer sind eben hartnäckig!