Kommentar: E-Books brauchen E-Konzepte

Kommentar

9,78 Milliarden Euro setzt der deutsche Buchmarkt 2011 um! Zu diesem Ergebnis kommt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in ihrer Prognose zur Entwicklung des Buchmarktes in Deutschland. Dabei lege der Bereich Belletristik überdurchschnittlich um 1,8 Prozent auf rund 4,9 Milliarden Euro zu.

Ausschlaggebend für das Plus sei aber der Umsatz mit E-Books, der sich von 21 Millionen Euro im Jahr 2010 auf voraussichtlich 67 Millionen Euro 2011 mehr als verdreifachen wird.  

Moment mal! 67 Millionen sind wie viel Prozent von 4,9 Milliarden? 1,3 Prozent nur? E-Books bringen dieses Jahr trotz unzweifelhaften Wachstums nur 1,3 Prozent des gesamten Umsatzaufkommens der deutschen Verlage?

Ja, meint PwC, macht aber nix, denn „konkret“ dürfte der E-Book-Umsatz bis 2015 um jährlich fast 52 Prozent auf 355 Millionen Euro steigen, während die Erlöse mit gedruckten Belletristik-Titeln voraussichtlich nur um durchschnittlich 0,6 Prozent auf 4,92 Milliarden Euro zulegen werden. Wow! Bei solchen Prognosen dürfen die haptisch orientierten Verlage schon mal unruhig und die digital veranlagten Medien schon mal euphorisch werden.

Rund 60 Prozent aller Verlage haben sich also beeilt und bieten bereits digitale Bücher an, die – genauso wie in den Urzeiten des WWWs – leider häufig kaum etwas anderes sind als die 1:1 Umsetzung der haptischen Originale und Vorlagen. Und da setzt das eigentliche Kernthema an: E-Books brauchen neue E-Konzepte der Verlage und der Autoren, die die medialen Möglichkeiten und Chancen der digitalen Plattform konsequent umsetzen. Nicht nur das geschriebene Wort spielt beim E-Book eine Rolle, sondern die Gesamtheit aus Text, Bild und Bewegtbild – natürlich mit Sound. Für die, die sich das immer noch nicht vorstellen können: Ein E-Book-Reiseführer hat verdammt noch mal eine intelligente, dialogfähige Multimedia-Anwendung zu sein, der alle technischen Optionen sinnvoll einsetzt – und dazu gehört beim Reiseführer nun mal auch Sound, Film und Foto.

Ja, ist das denn so auf allen aktuellen E-Readern überhaupt machbar, fragen Sie sich jetzt? Eindeutige Antwort: Nein! Womit wir bei der Zukunft des E-Readers wären. Viele aktuelle Versionen sind momentan vergleichbar mit den ersten Automobilen, die noch eher Pferdedroschken ähnelten und sich auch in diesem Tempo bewegten.

Interaktive, mediengerechte Konzepte und die dafür notwenige Technik werden also die Massenkompatibilität des E-Books in der nahen Zukunft prägen. War das ein Thema bei der Buchmesse? Viel zu früh! Erst mal müssen die alten Öllampen raus …

Oliver Hein-Behrens