Assange und Appelbaum: Momentaufnahme zweier Exilanten in Hamburg

Kommentar

Der Saal füllt sich schnell kurz bevor Julian Assange, Gründer von Wikileaks, Internetaktivist und Whistleblower via Videoschalte aus seinem Londoner Botschaftsexil zugeschaltet wird.

Jacob Appelbaum, Hacktivist, Cypherpunk und Mitentwickler der Anonymisierungssoftware Tor ist aus seinem Berliner Exil ganz real nach Hamburg angereist und sitzt bereits auf dem Podium. Die Veranstaltung beim Lead Awards Symposium 2013 kann starten. Thema ist "Big Data", aber eigentlich geht es um die moderne Überwachungsgesellschaft und die Rolle des Journalismus.

In Anzug und Schlips ist Assange auf der großen Leinwand via Skype zugeschaltet. Etwas müde mit einer rauhen Stimme gibt er ausladende Antworten. 100 Tage genau ist es her, seitdem Edward Snowdon in seine Fußstapfen getreten ist. Vieles von dem, was Snowdown offen gelegt habe, sei Insidern bekannt gewesen, meint Assange. Und was mit dem Internet schief gehe, geht seiner Meinung nach in allen Gesellschaften schief. Auf die Presse ist Assange dabei gar nicht gut zu sprechen. Sie fühle die Bedrohung und passe sich den Konditionen brav an. Investigativer, mutiger Journalismus – Fehlanzeige. Podiumsmoderator und SZ-Feuilletonchef Andrian Kreye widerspricht und redet von vielen Scoops der letzten Jahre, aber für Assange steht fest: Journalismus sei schon immer von großen Organisationen kontrolliert worden.

Da kommt Appelbaum der Berufsgruppe zu Hilfe und spricht von seinem Leben: Wenn man mit Assange zusammen arbeitet, muss man wissen, dass man einen hohen Preis dafür zu zahlen hat. Appelbaums Preis ist das Exil in Deutschland. Man müsse sich also - so Appelbaum weiter - fragen: Was passiert mit meiner Familie, wenn ich als Journalist über diese Themen schreibe? Um die orwellsche Wirkung seiner Worte zu unterstreichen, macht er allen Anwesenden klar, dass spätestens jetzt die NSA ein Auge auf jeden einzelnen hier werfen würde, denn sie würden sich schließlich alle in einem Raum mit ihm befinden und das sei leicht durch Handy, Smartphone oder Tablet-Computer feststellbar: „You and your family are now in the focus of the NSA“.

Ändern könne sich laut Assange und Appelbaum an der von ihnen skizzierten Überwachungsgesellschaft nur etwas, wenn Gesetze wieder mehr beachtet und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen würden. „Radikale sind die neuen Konservativen“, meint Assange und verschwindet von der Leinwand. Auf dem Weg in die Redaktion ertappe ich mich dabei, dass ich mich im James Bond Modus häufiger umschaue. Dabei denke ich nicht daran, dass der beste Agent doch in meiner Jackentasche schlummert, permanent etwas über mich verrät und mir sogar gehört. Wie auf ein Stichwort klingelt es.