2062 - Kommt der Homo digitales?

Kommentar

Bis zum Jahr 2062 haben wir Menschen Maschinen entwickelt, die so intelligent sind wie wir.

Das zumindest prognostiziert Toby Walsh, seines Zeichens einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. In diesem Zusammenhang muss eine Vielzahl von Fragen geklärt werden: Wird die künstliche Intelligenz Arbeitsplätze zerstören – einschließlich solcher, die Kreativität erfordern? (Ja :-) Wird sie ein Bewusstsein entwickeln? Was bedeutet die Entwicklung der KI für das Konzept des freien Willens? Welche ethischen Werte wird (oder sollte) die KI haben? Wird die künstliche Intelligenz der Gesellschaft nutzen oder schaden? Wird sie unser Selbstverständnis verändern? Wird sie die Essenz unserer Menschlichkeit beeinflussen?

Sein neues Buch "2062 - Das Jahr, in dem die künstliche Intelligenz uns ebenbürtig sein wird" fällt also durchaus auf fruchtbaren, aktuellen Diskussionsboden. Wir müssen uns mit diesem Thema beschäftigen. Auf 320 Seiten beleuchtet Walsh verschiedenste Aspekte des Themas, machmal mit sehr interessantem Informationsgehalt, manchmal etwas populistisch-oberflächlich. Wußten sie bespielsweise, dass "sieben Milliarden menschliche Gehirne auf dem Planeten" zusammen rund 14 Gigawatt Strom verbrauchen und dies angeblich nur 1/10 des Energiebedarfs ist, den Computer aktuell an Strom weltweit benötigen? Ich nicht.

Walsh definiert den "Homo digitales", der dem Homo sapiens gegenüber in vielerlei Hinsicht "Vorteile" biete. Dabei wird leider sehr unternehmens- und produktionsbasiert und mit bekannten Elementen argumentiert, wie zum Beispiel, dass ein Computer im Gegensatz zum Menschen "ohne Unterbrechung rund um die Uhr" arbeiten kann.

"Dank der digitalen Verbeserung des Gehirns wird der Homo digitales sehr viel klüger sein als der Homo sapiens. ... Als Homo digitales werden wir die Grenzen unseres physischen Selbst überschreiten und uns in Wesen verwandeln, die zugleich biologisch und digital sein werden. Wir werden gleichzeitig in unserem eigenen Gehirn und im größeren digiatlen Raum leben", schreibt Walsh und beläßt es bei dieser Science Fiction (die irgendwo ja auch schon heute gültig ist), ohne genaueres zu beschreiben oder zu erklären.

Walsh fordert - das darf nicht unerwähnt beleiben - deswegen entscheidende Veränderungen auf Unternehmensebene: "Zunächst einmal sollte das Management unter Kontrolle gebracht und die Beteiligung von Belegschaft und Aktionären an der Unternehmensführung ausgeweitet werden. ... müssen die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt werden, damit sie wieder in den Genuss des Schutzes kommen, den die Unternehmen in der Vergangenheit ihren auf Lebenszeit beschäftigen Mitarbeitern gewährten". Auf Lebenszeit? Von welcher Epoche spricht Walsh? Und ist das auch nur ansatzweise realistisch für eine Produktionsstätte, die kaum noch Menschen zur Produktion benötigt?

Bitte nicht mißverstehen: 2062 ist ein klarer Lesetipp, um Aspekte und Anregungen beim Einstieg in dieses epochale Thema zu bekommen, keine Frage. Aber 2062 ist kein Buch mit Visionen und Lösungsansätzen. Das wäre aber vielleicht auch zu viel verlangt. Oder?

 

Toby Walsh: 2062
Das Jahr, in dem die künstliche Intelligenz uns ebenbürtig sein wird
riva premium, Hardcover, 336 Seiten
ISBN: 978-3-7423-0860-3
22,00 € (D) bzw. 22,70 € (A)