Hauptgeschäft der Verlage wird noch lange im Printbereich liegen

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Die Printbranche habe die Krisenjahre 2008 und 2009 besser überstanden, als prognostiziert. Das sind u.a. die Ergebnisse der aktuellen Studie "Zukunft des deutschen Zeitschriftenmarktes" der Strategieberatung Booz & Company.

Die großen Zeitschriftenverlage melden aktuell wieder schwarze Zahlen und können teilweise sogar zweistellige EBIT-Renditen verzeichnen. Die gezielten Kostensenkungen der vergangenen Jahre haben hier eine beachtliche Hebelwirkung entfaltet.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Verlagsgeschäft gesund. Dennoch durchläuft die Branche einen veritablen Strukturwandel. Der Anzeigenmarkt ist 2010 lediglich um knapp 2% netto gewachsen und die Auflagen von Magazinen, die länger als fünf Jahre am Markt sind, gehen im Durchschnitt um 4% zurück. In den kommenden Jahren sind daher neben einem effizienten Kostenmanagement vor allem auch Investitionen ins Kerngeschäft essentiell. Denn das Hauptgeschäft der Verlage wird noch lange im Printbereich liegen.

Zudem zeigt der Erfolg junger Titel, dass sich eine gezielte Innovationsstrategie bei Segmentauswahl und Formatgestaltung lohnt: Magazine, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind, können selbst bei Auflagen von über 200.000 Exemplaren mit Wachstumsraten von durchschnittlich 8,2% aufwarten und liegen so mehr als 10 Prozentpunkte über dem Marktdurchschnitt.

Neben dem Print-Kerngeschäft birgt auch der wachsende Markt für Tablet PCs Wachstumspotenzial. Allein im nächsten Jahr bekommt der Topseller von Apple Konkurrenz von mehr als 35 Geräten auf Androidbasis. Der Absatz dieser Endgerätegattung wird sich bis 2015 allein in Deutschland um den Faktor 10 bis 15 erhöhen.

Das sind die Ergebnisse der aktuellen Studie "Zukunft des deutschen Zeitschriftenmarktes" der internationalen Strategieberatung Booz & Company. Für die Studie wurden in Zusammenarbeit mit dem Medienforschungsspezialisten d.core. 7.000 Leser zu 100 führenden Zeitschriften in sieben Segmenten befragt.

Wachstumstreiber Print-Innovation

Der aktuelle Aufwärtstrend in der Zeitschriftenbranche bedarf allerdings einer differenzierten Betrachtung. So prognostiziert die Studie eine weitere Erosion der Auflagenzahlen und sieht den Strukturwandel trotz volkswirtschaftlichem Aufschwungszenario in vollem Gange. Macht das Anzeigenvolumen von 1,4 Mrd. Euro im Zeitschriftensektor 2010 noch 8,6% des gesamten deutschen Werbebudgets (16,5 Mrd. Euro) aus, werden die Zeitschriften bis 2015 gegenüber TV und Online wohl noch weiter zurückfallen. Die prognostizierten Einnahmen in Höhe von 1,3 Mrd. Euro entsprächen dann nur noch 6,7% des insgesamt über 19 Mrd. Euro schweren Werbeetats.

Nach der Studie werden nur die Verlage als Gewinner aus der Umbruchphase hervorgehen, die erkannt haben, dass sich gerade im aktuellen Strukturwandel Innovationen und Investitionen ins Kerngeschäft rentieren und die diese Erkenntnis auch konsequent umsetzen. "Jede Innovationsstrategie beinhaltet immer auch ein unternehmerisches Risiko. Schließlich kann nicht jedes Konzept aufgehen und nur wenige Magazine entwickeln sich aus dem Stand zum Topseller", erläutert Gregor Vogelsang, Partner und Medienexperte von Booz & Company. "Beim Innovationsprozess kann die Verlagsbranche noch einiges von der Konsumgüterindustrie lernen. Die lebt bei Produkteinführungen sehr gut mit einkalkulierten Flopraten von 70%. In der Verlagsbranche ist bislang jeder Flop ein Drama." Gerade junge Titel konnten sich in den letzten Jahren in den Segmenten Wohnen & Garten, Frauenzeitschriften sowie Kinder & Jugend mit einer konsequenten Innovationsstrategie und hochwertigen Inhalten erfolgreich etablieren. Die neuen Magazinkonzepte kommen beim Leser an und bereiten letztlich auch das Feld für eine Expansion in die digitale Welt: So können sich über 40% der Leser dieser Medien vorstellen, auch im Onlineshop der Zeitschrift einzukaufen. Bei den etablierten Titeln sind solche magazinspezifischen E-Commerce-Angebote nur für gut ein Viertel der Leserschaft (26%) relevant. Auch das überdurchschnittliche jährliche Umsatzwachstum von 8,2% belegt den Erfolg dieser Magazin-Avantgarde.

Sanfte Digitalisierung für den deutschen Markt

Während in den USA mit "Daily" von Newscorp und "Project" von Virgin bereits die ersten reinen iPad-Magazine als Applikationen in den Startlöchern stehen, steckt der deutsche Markt mit 700.000 TabletPCs noch in den Kinderschuhen. "Nach unserer Analyse werden bis 2015 in Deutschland 10 bis 15 Millionen Tablets genutzt. Bereits im nächsten Jahr wird das iPad Konkurrenz von 35 Geräten auf Androidbasis bekommen. Und auch Microsoft wird sich diesen Markt sicher nicht entgehen lassen", betont Vogelsang, warnt aber vor Schnellschüssen. Denn aktuell wollen 80% der Befragten keinesfalls auf eine gedruckte Ausgabe verzichten, selbst unter den befragten iPad-Nutzern wäre eine digitale Ausgabe nur für jeden Dritten ein adäquater Ersatz. Über Zeitschriften mit hoher Qualität und Nutzwert lassen sich die Leser emotional binden und das Markenpotenzial der Magazine steigern. Das ist sowohl in kommerzieller Hinsicht als auch für eine erfolgreiche Positionierung in der digitalen Welt langfristig erfolgskritisch. Die Branche muss sich also nicht neu erfinden, sondern Professionalität im Kerngeschäft mit fundierten Konzepten für den digitalen Bereich verbinden.

"Was die Leser brauchen, ist ein wirklicher Mehrwert durch ein erweitertes Anbot in der digitalen Welt. Die kostenlose Online-Ausgabe ist eine Sackgasse", resümiert Vogelsang. "Die Verlage müssen vielmehr das Wissen über ihre Leser gezielt nutzen und innovative Ideen entwickeln, die den Nerv der Zeit treffen. Die TabletPCs bieten hier eine einmalige Chance. Die Verlage müssen sie nur nutzen."