Kommentar: Drogenberatung für Onlinesüchtige? Da stimmt etwas nicht!

Kommentar

Nach einer im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführten Studie gibt es in Deutschland mehr Internetsüchtige als Glücksspielabhängige. Demnach sind in Deutschland rund 560.000 Menschen aktuell vom Internet abhängig.

Das entspricht 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Oder anders formuliert: Von den 52,7 Millionen Deutschen ab 14 Jahren, die online sind (Quelle: (N)ONLINER Atlas 2011), ist also einer von Hundert onlinesüchtig. Da staunt sogar eine Psychologin, die am Bezirkskrankenhaus Augsburg internetabhängige Jugendliche behandelt. Sie hätte die Zahl laut Pressemeldung der "Apotheken Umschau" sogar noch größer geschätzt. Die Hauptgruppe beschreibt sie als "introvertierte junge Männer, die sozial nicht besonders gut integriert sind". Im Internet fänden sie die Anerkennung, die ihnen sonst fehle. "Dort sind sie die Größten, während sich im wahren Leben die Probleme mit der Familie, in Schule und Beruf häufen". Dies stimmt sicherlich zum Teil, aber der Ratschlag der Psychologin für betroffene Eltern, gegebenenfalls Hilfe bei einer Erziehungs- oder Drogenberatungsstelle suchen, erscheint eher verzweifelt und ein Ergebnis der aktuell traurigen Infrastruktur in diesem Bereich.  

Das Internet ist inzwischen ein Massenmedium und die Abhängigkeit von einem Medium gleichzusetzen mit einer Abhängigkeit von Alkohol, Kokain oder Heroin ist grundsätzlich falsch und verharmlost die destruktive Wirkung dieser ganz realen Drogen. Wichtiger wäre es, auf Bundes- und Länderebene endlich Konzepte und Mittel für eine neue Form von Medienberatungsstellen für Online-Süchtige zu entwickeln, die sich zeitgemäß und professionell mit dem Thema beschäftigen, um den betroffenen Menschen erfolgreich zu helfen.

Dies scheint aber ein steiniger Weg, denn Onlinesucht ist noch nicht einmal als Krankheit anerkannt. Erst 2009 enthielt der Drogenbericht der Bundesregierung ein eigenes Kapitel zum Thema Onlinesucht. Er kam zu dem Resultat: „Aus gesundheitlicher Sicht hat die suchtartige Nutzung des Internets an Gewicht gewonnen.“ Zeit also, zwei Jahre später, endlich etwas Konkretes zu tun. Aber bitte wesentlich konkreter, als der Vorschlag, Internetsüchtige zur Erziehungs- oder Drogenberatung zu schicken!