Der "Wutbürger" wird Person des Jahres

Meldung des Tages

In der wohl am meisten erwarteten Ausgabe des Jahres ernennt TIME den "Protestler" bzw. den Demonstranten zur Person des Jahres 2011.

Der Herausgeber Rick Stengel begründet die Wahl: "Gibt es weltweit einen Kipppunkt für Frustration? Die Menschen sagten scheinbar überall, dass es ihnen jetzt reichen würde. Sie widersprachen, sie verlangten, sie verzweifelten nicht, selbst wenn die Antwort in Form von Tränengas oder als Kugelhagel kam. Sie verkörperten im wahrsten Sinn des Wortes die Idee, dass individuelles Handeln kollektive, enorme Veränderungen auslösen kann. Das Konzept von Demokratie war in jeder Demonstration präsent, auch wenn es an verschiedenen Orten unterschiedlich verstanden wurde."

"Niemand konnte voraussehen, dass die Selbstverbrennung eines tunesischen Gemüsehändlers auf dem Marktplatz einer vollkommen unbekannten Stadt Proteste auslösen würde, die zum Sturz der Diktatoren in Tunesien, Ägypten und Libyen führen und die Regime in Syrien, im Jemen und in Bahrain in Bedrängnis bringen würde; oder, dass der Geist des Dissenses Menschen in Mexiko dazu veranlassen könnte, sich gegen den Terror der Drogenkartelle zu stellen, die Griechen gegen ihre unverantwortliche Führung auf die Strasse gehen, Amerikaner öffentliche Plätze aus Protest gegen Einkommensungleichheit besetzen und Russen sich gegen die korrupte Autokratie vereinen würden."

"Dafür, dass es ihm gelang, ein weltweites Gefühl ruheloser Versprechen zu fokussieren und sichtbar zu machen, Regierungen und konventionelle Lehren zu stürzen, die älteste der Techniken mit den neuesten Technologien zu vereinen, um menschliche Würde ins Rampenlicht zu stellen, und schliesslich, um den Planeten auf einen demokratischeren, wenn auch sicherlich gefährlicheren Weg für das 21. Jahrhundert zu führen, dafür wurde der Demonstrant die Person des Jahres 2011."

Time-Mitarbeiter Kurt Andersen: "Die Einsätze sind an den unterschiedlichen Orten verschieden. In Nordamerika und Europa gibt es keine Diktatoren und Dissidenten werden nicht gefoltert. An jedem Tag, an dem Tunesier, Ägypter oder Syrer auf die Strasse gehen und Plätze besetzen, ist ihnen bewusst, dass einige von ihnen verprügelt oder erschossen und nicht nur mit Pfefferspray besprüht oder in Plastikfesseln abgeführt werden könnten. Die Demonstranten im Mittleren Osten und in Nordafrika sterben im wahrsten Sinne des Wortes dafür, dass sie endlich politische Systeme erhalten, die den Demonstranten in Madrid, Athen, London oder New York City unerträglich undemokratisch erscheinen würden."

In Deutschland haben zahlreiche Mainstream-Medien den Protestler "Wutbürger" getauft. Wutbürger wurde laut Wikipedia sogar zum deutschen „Wort des Jahres“ 2010 gewählt und in den Duden aufgenommen, der ihn als „Zeitungsjargon“ für einen „aus Enttäuschung über bestimmte politische Entscheidungen sehr heftig öffentlich protestierende[n] und demonstrierende[n] Bürger“ definiert.