Pressefreiheit in China

Nicht schön

In kaum einem anderen Land werden die Medien so stark zensiert wie in China, das vor Beginn des Parteitags am 8. November im Fokus der Weltöffentlichkeit steht.

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat deshalb ein Dossier über die Lage von Journalisten in China in sein Online-Angebot aufgenommen. China ist laut ROG "das größte Gefängnis für Journalisten weltweit". 30 Journalisten und fast 70 Blogger sitzen dort zurzeit in Haft. Reporter ohne Grenzen ruft daher die Regierungen europäischer Staaten dazu auf, mehr Pressefreiheit von China einzufordern. 

"Die Lockerungen vor den Olympischen Spielen 2008 haben gezeigt, dass internationaler Druck etwas bewirken kann", sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske in Berlin. Die Kommunistische Partei hatte ausländischen Reportern damals erlaubt, auch außerhalb Pekings zu recherchieren und ohne vorherige Einwilligung der Behörden Interviews zu führen. "Inzwischen sind diese Rechte wieder stark eingeschränkt, die Situation für Journalisten hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert", sagte Rediske.

Als der systemkritische Schriftsteller Liu Xiaobo im Dezember 2010 den Friedensnobelpreis erhielt und wenig später Aufrufe zu einer "Jasmin-Revolution" nach arabischem Vorbild im Internet kursierten, waren die chinesischen Behörden alarmiert und gehen seither mit aller Härte gegen kritische Berichterstatter vor. Im Mai 2012 wurde zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder eine ausländische Korrespondentin ausgewiesen. Melissa Chan, die für das englischsprachige Programm des arabischen Senders Al-Dschasira gearbeitet hatte, erhielt keine weitere Akkreditierung und musste das Land verlassen.

Im China-Dossier berichten langjährige China-Korrespondenten über ihre Arbeit. Sie beschreiben ein System der Zensur, das allgegenwärtig ist, dessen genaue Regeln aber bewusst im Unklaren gelassen werden. Diese Unsicherheit sei Teil des Systems und dafür verantwortlich, dass sich viele Reporter gar nicht erst mit schwierigen Themen beschäftigten. "Nicht jede Kritik ist verboten, aber wie viel Kritik erlaubt ist, bestimmt die Partei", fasst Christine Adelhardt zusammen, die das ARD-Studio in Peking leitet. Sie berichtet, wie Interviewpartner von der Polizei eingeschüchtert und ihre chinesischen Mitarbeiter bedroht werden.

Einen Schwerpunkt legt das Dossier auf die Internetzensur der Kommunistischen Partei. Weil Facebook, Twitter und zahlreiche ausländische Nachrichtenseiten in China gesperrt sind, nutzen inzwischen rund 400 Millionen Chinesen landeseigene Mikroblog-Dienste, so genannte Weibos. Deren Betreiber überwachen die Beiträge rund um die Uhr und löschen kritische Kommentare. Zudem bezahlt die Regierung hunderte regimetreuer Blogger, die in Debatten eingreifen und die Linie der Partei vertreten sollen. Nichtsdestotrotz verbreiten sich Informationen über Unglücksfälle oder Behördenschlamperei oft binnen Sekunden in den sozialen Netzwerken. Sie führen mitunter zu heftigen Diskussionen - und gelegentlich sogar dazu, dass sich Beamte vor Gericht verantworten müssen. Dennoch weist die ROG-Rangliste der Pressefreiheit China mit Platz 174 von 179 als eines der Länder aus, in denen Informations- und Meinungsfreiheit am stärksten unterdrückt wird. Schlimmer ist die Situation nur noch in Iran und Syrien sowie in den drei langjährigen Schlusslichtern Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.