WiWo-Chefredakteur Tichy empfindet Zentralredaktionen als "Vampirismus"

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Roland Tichy, Chefredakteur der "WirtschaftsWoche", hat im Interview mit dem Branchendienst kressreport der Auffassung widersprochen, dass die Einstellung der "Financial Times Deutschland" ("FTD") Ausdruck einer allgemeinen Krise gedruckter Medien sei.

"Die Zuwächse, die es Ende der 90er Jahre im Printmarkt gab, waren getrieben von großen Börsengängen wie dem der Telekom, das war kein Normalzustand", sagte er. Print erlaube heute "keine großen Wachstumsfantasien mehr", man könne aber auch auf stagnierenden Märkten "fröhlich weiterleben".

 "Der Biermarkt nimmt tendenziell ab, aber niemand spricht vom Ende des Bieres." Der damalige G+J-Vorstandsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen habe bei der Gründung der "FTD" verkannt, dass das Wachstum nicht im Papier, sondern im Digitalen liege, so Tichy weiter. "Hätte er 2000 nicht die 'FTD' gegründet, sondern in eine Digitalisierungsstrategie investiert, stünde das Unternehmen heute ganz anders da."

Tichy wirft dem Verlag Gruner + Jahr weitere schwerwiegende Fehler vor. So habe sich vor allem die Gründung einer Gemeinschaftsredaktion für die "FTD" und die G+J-Wirtschaftsmagazine "Capital", "Börse Online" und "Impulse" als verhängnisvoll erwiesen: "Das war ein Akt von Vampirismus", sagte Tichy dem kressreport. "Die Zeitung hat den Magazinen das Blut ausgesagt, jetzt sind 'Börse Online', 'Impulse' und 'Capital' blutleere Hüllen. G+J hätte die Magazine mit Erfolg führen können, aber sie hätten eigenständige publizistische Einheiten bleiben müssen."