Warum Print in der Krise steckt - ein Erklärungsversuch

Kommentar

E-Publishing-Experte Daniel Höpfner, Gründer und Geschäftsführer von PressMatrix, geht detailliert und praxisporientiert auf die aktuellen Probleme der Verlage mit ihren digitalen Strategien ein und stellt vier wichtige Punkte für das Überleben vor.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das Thema Zeitungskrise nicht mehr nur als US-amerikanisches Phänomen ist, denn auch in der deutschen Medienlandschaft wird derzeit kräftig umstrukturiert, zusammengestaucht oder gar gestrichen. 

Ein Raunen ging in den vergangenen Monaten durch Deutschland, denn es sind die großen Namen der Branche, die keinen anderen Ausweg mehr sehen, als zahlreiche Journalisten auf die Straße zu setzen: Die Nachrichtenagentur dapd musste Anfang Oktober Insolvenz anmelden und auch die Frankfurter Rundschau gab Anfang November ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt. Ende November verkündete die DuMont-Schwester Berliner Zeitung dann einen massiven Stellenabbau; der Axel Springer Verlag legt die Redaktionen von Welt, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt zusammen. 

Das Stimmungstief wurde im Dezember mit der letzten Ausgabe der Financial Times Deutschland erreicht und immer häufiger kam die Frage auf: Wird es bald keine gedruckten Zeitungen mehr geben? 

Zähe digitale Strategien der Verlage 

Bereits jeder achte Bundesbürger (13 Prozent) nutzt aktuell einen Tablet Computer, zu Weihnachten werden noch unzählige verschenkt (Vgl. Studie). Selbst vergangenen Sonntag las Maria Furtwängler die neusten Nachrichten im Tatort auf ihrem Tablet. Nicht nur möchten immer mehr Menschen Zeitungen und Magazine digital konsumieren, auch die Werbetreibenden nutzen verstärkt das Internet und schalten lieber Banner und interaktive Werbung als großflächige Printanzeigen. Mit dem Rückgang der Anzeigenerlöse und dem zunehmenden Anteil von Tablets in der Bevölkerung, wagten viele Verlage den Schritt in das Onlinegeschäft. Doch leider viel zu zaghaft und häufig ohne tragbares Konzept. Denn was bringt dem Nutzer eine Zeitung als ePaper, die nicht regelmäßig aktualisiert wird und die interaktiven Möglichkeiten des Formats kaum ausnutzt? 

Das beste Beispiel ist immer noch Der Spiegel: Das digitale Abo ist mit 197,60 Euro nur unwesentlich preiswerter als das Abo für die gedruckte Magazin (208,- Euro). Nach einer Kombination aus beidem sucht man auf der Webseite vergeblich, zwar ist für studentische Abonnenten des Printabos die digitale Ausgabe kostenfrei, aber für Normalbürger ist nur von undefinierten „Sonderkonditionen“ die Rede. 

Die taz hingegen hat bereits erkannt, dass beide Formate sich ergänzen und je nach Lust und Laune mal zum Tablet und mal zur gedruckten Ausgabe gegriffen wird. Das taz Kombi-Angebot gewährt dem Printleser für nur einen zusätzlichen Euro in der Woche daher die taz als ePaper. 

Warum „The Daily“ nicht überlebensfähig war 

Doch eine reine Online-Strategie ist nicht zwingend auch erfolgsversprechend: Rupert Murdoch, US-amerikanischer Medienunternehmer, wagte mit „The Daily“ einen großen Sprung, indem er eine Zeitung herausbrachte, deren Verbreitung nur digital erfolgte. Doch betrachtet man die Kostenstruktur, wird deutlich, dass die Strategie nicht auf Basis eines Internetunternehmens beruhte: 150 Mitarbeiter sind für ein rein digitales Produkt zu viel, zumal auf bestehende Inhalte von Partnermedien des Konzerns zugegriffen wurde und keine eigene internationale Redaktion hätte betrieben werden müssen. Laut Murdoch konnten nur 1/6 der Einnahmen erzielt werden, die nötig gewesen wären, um das Format überhaupt am Laufen zu halten. 

Weiteres K.O.-Kriterium: Eine Tageszeitung, die zwar digital aber ansonsten wie eine "alte" Tageszeitung einmal am Tag erstellt und nur spärlich aktualisiert wird, passt nicht in die Twitter-, Blog- und Facebook-Welt. Moderne Zeitungen stehen vor der Aufgabe, kontinuierlich News zu liefern und diese in das große Ganze einzuordnen, um den Leser ausreichend zu informieren. Das wiederum kann nicht funktionieren, wenn nur einmal am Tag eine Zeitung für frische Inhalte sorgt, so wie es „The Daily“ getan hat. Des Weiteren gab es keine klare Charakterisierung – War es nun eine Zeitung mit News-Charakter oder doch ein buntes Magazin mit hohem Nachrichtenanteil? Ohne die Entwicklung eines charakteristischen Profils fiel es schwer, eine feste Zielgruppe zu begeistern. Murdoch und Co. vernachlässigten zudem die Vorteile der digitalen Verbreitung, denn über den eCommerce hätte weitergehender Umsatz generiert werden können.   

Wie kann Print langfristig überleben? 

Allein die gedruckte Zeitung ist langfristig nicht mehr überlebensfähig. Die Verlage müssen jetzt erst recht erkennen, wie wichtig die eigene Ausrichtung in der digitalen Welt ist. Sie müssen dabei vor allem auf die Ansprüche des Nutzers eingehen. Viele Studien belegen, dass Tablet-Leser durchaus bereit sind, für elektronische Ausgaben der Tageszeitung oder eines Magazins zu zahlen. Bei der digitalen Umsetzung sollten jedoch vier wichtige Punkte beachtet werden: 

  1. Für den Nutzer muss es einfach sein, die digitale Ausgabe zu erwerben – durch einen Kiosk mit allen Ausgaben oder eine Abofunktion. Natürlich kann der Leser zunächst auch mittels eines kostenfreien Probeabos an das ePaper herangeführt werden. 

  2. Das Design der App sollte optisch ansprechen und dem Nutzer intuitives Lesen ermöglichen: Denn muss sich der Leser erst mit einer Anleitung auseinandersetzen, hat er das Interesse meist schon verloren. 

  3. Im Vergleich zur gedruckten Version darf das ePaper keine reine Kopie der Printausgabe darstellen, sondern sollte mit ergänzenden Inhalten einen zusätzlichen Mehrwert für den Leser bieten: Videos, Bildergalerien und sich aktualisierende Inhalte. 

  4. eCommerce wird immer wichtiger – in digitalen Ausgaben sollten interaktive Werbeanzeigen eingebunden sein, sowie Möglichkeiten für Spontankäufe wie Tickets oder Musik. Dadurch können Umsätze gesteigert werden.

Nur so kann Print überleben, denn der Leser wird immer mehr ins Digitale abwandern und damit zu jenen Angeboten, die ein klares und bekanntes Profil haben, Spaß machen und Mehrwerte im Vergleich zur Printausgabe bieten können.  

Über PressMatrix: PressMatrix (www.pressmatrix.de) hat eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, Inhalte insbesondere für Unternehmen und Verlage als Applikation auf Tablets und mobilen Endgeräten anzubieten. Mit der automatisierten Lösung können Publikationen auf mobilen Geräten, wie dem iPad oder dem Kindle, zur Verfügung gestellt werden. Neben den Betriebssystemen iOS und Android wird die Technologie bald auch auf Geräten mit Windows 8 laufen. PressMatrix setzt dabei auf einen hybriden Technologieansatz, der die vielfältigen Möglichkeiten des mobilen Mediums nutzt und dem Leser somit ein neuartiges Leseerlebnis ermöglicht. PressMatrix wurde 2011 von Daniel Höpfner, Jens Gützkow und Christian Marsch gegründet. Derzeit sind 32 Mitarbeiter an den Standorten Berlin, Hamburg und Dubai für das wachsende Unternehmen im Einsatz. PressMatrix betreut derzeit über 60 publizierende Unternehmen jeder Größe.