TV-Dokumentation über Messies

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Haufenweise Altpapier, leere Joghurtbecher bis zur Decke oder Schränke voller Elektroschrott - was für Außenstehende wie wertloser Müll aussieht, ist für Messies unverzichtbar.

Doch das Messie-Syndrom beinhaltet weit mehr als eine unaufgeräumte oder vermüllte Wohnung, häufig ist die äußere Unordnung ein Spiegel der Seele, oft geht das ausgeprägte Sammelverhalten einher mit Depressionen, Psychosen oder Zwangsstörungen.

In der Samstags-Dokumentation „Leben im Chaos – Das Messie-Syndrom“ (am 9.2. um 22:50 Uhr bei VOX) stellt SPIEGEL TV Betroffene sowie Experten vor und zeigt, dass in der erfolgreichen Arbeit mit Messies Müllsack und Besen nur nebensächlich sind. 

Der 57-jährige Albert aus der Nähe von Lüneburg leidet schon lange am Messie-Syndrom. Nicht nur sein Auto, auch seine kleine Dach-Wohnung, in der er seit 20 Jahren lebt, ist komplett zugestellt. Neben regelmäßigen Treffen in der Messie-Selbsthilfegruppe wird der frühere Beamte seit drei Monaten von einem ambulant-psychiatrischen Pflege­dienst der Arbeiterwohlfahrt unterstützt: Zwei Mal pro Woche besucht ihn Pflegehelferin Claudia Kruse; ihre Hilfe ist sowohl seelischer als auch praktischer Art. Gespräche mit Claudia Kruse ermutigen Albert vor allem in seinen schweren depressiven Phasen. Zudem gelingt es ihm durch die professionelle Hilfe, kleine Fortschritte bei der Beseitigung des Wohnungs-Chaos‘ zu erzielen. Doch nicht nur das ausgeprägte Sammelverhalten belastet den Messie, zusätzlich steht sich Albert mit starkem Perfektionismus selbst im Weg. Mehr als sechs Wochen brauchte er, um den riesigen Stapel schmutziger Wäsche, die sich über Jahre angehäuft hat, zu waschen und zu trocknen. Die Kleidungsstücke nun einfach in einen Schrank zu legen, um sich weiteren fast unbegehbaren Räumen in seiner Wohnung zu widmen, fällt Albert sehr schwer: Am liebsten würde er die Kleidung sorgfältig bügeln – was wohl erneut mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde. „Er stellt sehr hohe Anforderungen an sich selbst. Das zieht sich so durch sein ganzes Leben – und er erfährt auch immer wieder Trauer darüber, dass er diesen Anforderungen nicht genügen kann“, so Pflegehelferin Claudia Kruse. 

Zu den wenigen Experten, die sich in Europa mit dem Messie-Syndrom beschäftigen, gehört Dr. Elisabeth Vykoukal. Die Psychotherapeutin erforscht seit acht Jahren an der Wiener Sigmund Freud Privatuniversität Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten bei Messies. Auch wenn die Gründe für eine Ausbildung des Messie-Syndroms noch nicht abschließend erforscht sind, ist sich die Österreicherin sicher, eine mögliche Ursache erkannt zu haben: „Bei der Arbeit mit den Messies ist mir immer klarer geworden, welche große Bedeutung die Mutter hat, wenn es darum geht, was wir für eine Ordnung und Struktur im Leben entwickeln. Die Mutter ist die Person, die uns als erste Ordnung vermittelt, schon als Säugling.“ 

In Wien betreut Elisabeth Vykoukal Messies unter anderem in einer offenen Selbsthilfegruppe. „Wir haben herausgefunden, dass die klassische Psychotherapie, also Gespräche, nicht ausreicht. Mit der offenen Selbsthilfegruppe haben wir gute Erfahrungen gemacht – das zeigt, dass auch starre Strukturen für Messies nicht so gut geeignet sind.“ 

Auch Christine aus Hamburg leidet unter ihrem ausgeprägten Sammelverhalten. Vor zwölf Jahren, nach der Trennung von ihrem Partner, verlor die 54-Jährige in ihrer Wohnung den Überblick. Immer mehr Gegenstände und Verpackungen häufte sie an. „Wenn ein Gewürzglas leer ist, müsste ich es eigentlich wegschmeißen. Aber dann kommt mir die Idee, dass ich da wieder etwas rein tun könnte. Und so geht es mir mit ganz vielen Sachen.“ Für jeden einzelnen Gegenstand in der völlig überfüllten Wohnung hat Christine einen Plan – auch für leere Kartons. Der Prozess des Loslassens fällt der Hanseatin schwer, selbst offensichtlich überflüssige Dinge haben für sie einen großen Wert. Durch das Messie-Syndrom ist Christine seit vielen Jahren arbeitsunfähig - die Arbeitsagentur vermerkte in ihrer Akte „psychisch behindert“. Mit diesem Ausdruck fühlt sich die Frührentnerin gut beschrieben: „Ich finde, dass die Wohnung mein Inneres widerspiegelt. Ich verirre mich oft in meinem Inneren, da liegt auch alles rum, und ich kann es nicht nutzen. So ähnlich wie in meiner Wohnung.“