Ab sofort werden einzelne Artikel des Nachrichten-Magazins und der Nachrichten-Website also auch zum Verkauf angeboten. Damit soll die Entwicklung eines größeren Bezahlangebots laut Verlagspressemeldung "beginnen". "Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie eröffnen wir mit Spiegel Plus einen neuen Vertriebskanal für Spiegel-Texte, die bisher in entbündelter Form nicht auf Spiegel Online zu erwerben waren. So werden wir Spiegel-Journalismus im Digitalen noch stärker sichtbar machen und gleichzeitig neue Erlösmöglichkeiten für unser erfolgreiches Onlinegeschäft schaffen", sagt Thomas Hass, Geschäftsführer des Verlags. Abgesehen davon, dass in diesem Statement gleich vier mal Spiegel gesagt wird, hört es sich so an, als ob exklusiver neuer Content für das Bezahlangebot bereit gestellt wird, um die "Kostenlos"-Community nicht zu verschrecken bzw. nicht so ein Visit- und Page Impressions-Minusdesaster wie andere Verlage bei Einführung der Paywall zu erleben.
Florian Harms, Chefredakteur von Spiegel Online, bestätigt denn auch den aktuellen Testcharakter der neuen Refinanzierungsquelle: "Nach monatelangen Vorbereitungen ist dies der Auftakt für den schrittweisen Ausbau unseres digitalen Bezahlangebots. Nun beginnt eine Phase des Experimentierens, Messens und Lernens, in der wir Spiegel Plus inhaltlich, technisch und optisch weiterentwickeln und optimieren wollen."
Das neue Paid Content Modell im Detail: Vor Fertigstellung treffen die Chefredaktionen gemeinsam eine Auswahl von Beiträgen aus der kommenden Ausgabe. Von Samstag bis zum darauffolgenden Freitag sollen zunächst pro Tag zwei Print-Artikel im Bezahlbereich veröffentlicht werden. Hinzu sollen täglich zwei weitere Texte aus der Online-Redaktion kommen. Auch Stücke aus anderen Print-Objekten oder aus dem Archiv sollen zukünftig im Bezahlbereich erscheinen. Alle kostenpflichtigen Artikel sind durch das rote Logo "SPIEGEL Plus" gekennzeichnet. Über die Centerpage www.spiegel.de/spiegelplus kann auf das vollständige bereits erschienene Bezahlangebot zugegriffen werden. Die einzelnen Beiträge kosten zum Start stattliche 39 Cent. Alle bepreisten Artikel können sofort gelesen werden. Erst wenn ein Betrag von fünf Euro zusammengekommen ist, muss der Nutzer sich einmalig registrieren und diese Summe bezahlen. Neben dem Verkauf von Einzelartikeln arbeitet der Verlag daran, demnächst weitere Modelle anbieten zu können, darunter auch Zeitpässe.
Der erste Eindruck dieses Konzeptes zeigt, dass sich der Verlag im Vorfeld sehr genau die Fehler und Mißgeschicke von anderen Verlagen im Paid Content Bereich angesehen hat. Alles andere wäre aber auf diesem Level auch eine Überraschung gewesen. Sicher ist, es musste etwas in diesem Bereich geschehen, denn Online-Werbung als einzige Einnahmequelle in Zeiten des Native Advertising Hypes ist keine singuläre Zukunftsoption für Verlage mehr. Sicher ist aber auch: Das jetzt vorgestellte Paid Content Modell des Spiegel Verlages ist nur eine Kombination von Bewährtem und Bekanntem. Neue Ideen und Konzepte: Fehlanzeige! Ob das genügt, um die seit fast 22 Jahren existierende treue Kostenlos-Community peu à peu in das Bezahlangebot zu ziehen?
Also zu spät oder just in Time? Zu früh, um das zu beantworten. Solide ist das Ganze, keine Frage, aber eben nicht innovativ. Mal schauen, ob hier noch etwas kommt ...
Oliver Hein-Behrens