Donald Trump ist seinem Ruf als Polit-Rüpel gerecht geworden. Hillary Clinton hielt dagegen und setzte ihrerseits Trump unter Druck. Das war ein harter Schlagabtausch, der mit einem Unentschieden endet – so die Einschätzung von Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Der Kommunikationswissenschaftler hat Einfluss, Taktiken und Geschichte der TV-Duelle analysiert – von dem „rührend unprofessionellen“ Zweikampf Richard Nixon gegen John F. Kennedy 1960 bis zur modernen Inszenierung von Kandidaten als Medien-Superstars, wie zuletzt bei Barack Obama. Sein Fazit: Das schrille Auftreten Trumps hat so viele Zuschauer vor den Fernseher gelockt wie nie zuvor. Etwa 100 Millionen Amerikaner und 1000 Journalisten vor Ort sollen das TV-Duell gesehen haben.
Aber die Wirkung dieser Live-Sendung wurde in der Vergangenheit oft überschätzt. Einflussreicher sei das Medienecho in den Folgetagen. „Die eigentliche Schlacht beginnt erst nach dem TV-Duell“, so Brettschneider. Perfekte Performance ist wichtig, doch Wahlkampfstrategen wissen: Noch entscheidender als die 90 Minuten Streit vor der Kamera sind die ersten fünf Minuten danach. Denn dann erst beginnt die eigentliche Meinungsbildung – vor allem bei der heiß umkämpften Gruppe politisch interessierter, aber unentschlossener Wähler. Kampf um Deutung
„Während der Sendezeit bildet sich diese Gruppe meist noch keine feste Meinung“, so Brettschneider. Auch welcher Kandidat das TV-Duell gewonnen hat und warum, sei normalerweise keineswegs eindeutig. „Die Auslegung übernehmen Journalisten, die das Duell interpretieren und in ihren Berichten einen Sieger küren.“ So sei die Nachberichterstattung für die meisten Unentschlossenen ausschlaggebender als das Duell selbst. Dieser Effekt ist Wahlkampfstrategen wohlbekannt. Um Einfluss auf die Deutung des Duells zu nehmen, mischen sich zahlreiche Einflüsterer unter die Kommentatoren und liefern bereits innerhalb der ersten fünf Minuten Interpretationsangebote für Zuschauer und Journalisten.
Der Großteil der Wähler bildet sich die Meinung dann erst über das geschriebene Wort. „Bereits am Folgetag hat sich eine überschaubare Anzahl von Einschätzungen über den Ausgang des Duells durchgesetzt und ist in den großen Zeitungen nachzulesen“, so der Kommunikationswissenschaftler weiter. Da Trump weiß, dass er dabei nicht positiv wegkommen wird, setzt er auf seine Unterstützer im Web 2.0 – auf Facebook und auf Twitter. Sie sollen die Medienberichterstattung zumindest neutralisieren.
Strategien von Clinton und Trump
Erwartungsgemäß setzte Trump auf starke Vereinfachungen, besonders aber auf persönliche Angriffe gegen Clinton. Er machte sie für das Erstarken des IS verantwortlich, sprach von einer miserablen Außenpolitik Clintons und von „Desaster“. Die USA seien auf dem Weg zu einem „Dritte-Welt-Land“. Vor allem aber sprach er Clinton die Befähigung zur Präsidentschaft ab. Ihr fehlten dafür das Temperament und das Urteilsvermögen. Zudem unterbrach er Clinton mehr als 40 Mal. Mit diesem Verhalten blieb er seiner Strategie treu, mit der er auch schon in den innerparteilichen Vorwahlen der Republikaner erfolgreich war. Dieses schrille Verhalten hat im wesentlichen zwei Gründe: Erstens verschafft ihm der fortgesetzte Tabu-Bruch permanente Aufmerksamkeit. Die Massenmedien berichten darüber, wenn auch kritisch. Die Kritik ficht ihn aber nicht an, weil seine Anhänger den traditionellen Medien ohnehin nicht trauen. Hier sind Parallelen zu anderen Populisten unverkennbar. In Deutschland verfolgt die AfD eine ähnliche Strategie. Zweitens lenkt er mit diesem Verhalten von sachlichen Themen ab. Das muss er auch, weil seine Sachkompetenz in zahlreichen innen- wie außenpolitischen Fragen nur gering ausgeprägt ist.
„Er verfügt weder über ausreichende Sachkompetenz noch über politische Erfahrung“, so Prof. Dr. Brettschneider. Daher sei es für ihn vorteilhaft, von diesen Defiziten abzulenken. Clinton hingegen versuchte, genau diese Aspekte in den Mittelpunkt zu rücken. Über politische Erfahrung verfügt sie. Sie hat allerdings das Manko, dass sie immer wieder oberlehrerhaft wirkt, wenn sie Sachverhalte erklärt. Diesen Eindruck konnte sie dieses Mal vermeiden. Sie sei sehr gut vorbereitet gewesen, so Brettschneider, und habe oft lebensweltliche Beispiele verwendet. Auch habe sie ihrerseits Trump unter Druck gesetzt.
„Das war ein harter Schlagabtausch“, so der Analyst, bei dem sich keiner der beiden Kontrahenten einen wahlentscheidenden Fehler geleistet habe. Beiden sei es gelungen, ihre Anhänger zu überzeugen. Daher könne von einem Unentschieden die Rede sein.