Interview: Ein erfolgreicher Brand Change muss konsequent sein (exklusiv)

Interview

Das Medienmagazin "Berliner Journalisten" hat sich in Nitro umbenannt. medienmilch.de wollte mehr über die Gründe und Gefahren eines solchen Brand Change im Printbereich wissen und interviewte dazu die Nitro-Chefredakteurin Heide-Ulrike Wendt:

Aus dem Medienmagazin "Berliner Journalisten" ist im achten Jahrgang "Nitro - unabhängiges Magazin für Medien und Zeitgeschehen" geworden. Was sind die (Hinter)Gründe für die Namensumbenennung?

Heide-Ulrike Wendt:
Mit dem Titel Berliner Journalisten schränkten wir unsere Reichweite zu sehr ein, denn wir wurden von vielen als ein regionales Medium für Berlin wahrgenommen. In Hamburg und Köln ließen sich die Leser zwar auch von diesem regional geprägten Namen nicht abschrecken, nach unserem Heft zu greifen, wir haben dort eine stabile und treue Leserschaft. Trotzdem suchten wir seit längerer Zeit nach einem griffigeren, zugkräftigeren Namen, um nicht nur Journalisten anzusprechen, sondern auch diejenigen, die sich für Medien und speziell unsere Themen interessieren.

Wieso Nitro? Weil die Themen so explosiv sein sollen? Woher kommt der Name?

Heide-Ulrike Wendt:
Nitro ist kurz und knapp, provoziert, prägt sich schnell ein und ließ sich auch typografisch gut umsetzen. Und selbstverständlich wollen wir explosiv sein. Mit dem Völkermord an Armeniern beispielsweise haben wir ein Thema aufgegriffen, das andere noch immer lieber in der Schublade liegen lassen, um niemanden zu provozieren. Explosiv heißt für uns allerdings nicht, den anderen Publikationen mit Klatsch und Tratsch voraus zu sein . Wir greifen Themen auf, die in anderen Medien nicht genügend Beachtung finden, obwohl sie die verdienen.

Inwieweit haben sich auch Redaktionskonzept und Layout mit dem neuen Namen geändert?

Heide-Ulrike Wendt:
Wir haben dem Heft ein neues Gesicht, ein neues Layout gegeben, den Heftumfang um 40 Seiten erweitert, einen Musikteil mit 26 Seiten hinzugefügt, um unseren Horizont und den unserer Leser zu erweitern. Wir wollen in unserem Heft kluge Texte von klugen Journalisten und Schriftstellern für kluge Zeitgenossen.

Ich bin potenzieller Anzeigenkunde und ich frage Sie: Was ist der berühmte USP von Nitro? Sie antworten:

Heide-Ulrike Wendt:
Das Alleinstellungsmerkmal von Nitro soll vor allem sein, dass wir Geschichten aufgreifen, die so woanders nicht stehen. Wir haben uns außerdem schon immer von anderen Branchenblättern durch unsere opulente Bildsprache unterschieden, das können wir durch die 40 Seiten, die dazugekommen sind und durch das bessere Papier, noch üppiger ausleben und uns so als Medienmagazin mit dem Anspruch einer Publikumszeitschrift präsentieren. Unsere Texte sollen gut recherchiert, verständlich, schlüssig, wahrhaftig und interessant sein, und das für Kollegen und für Medieninteressierte, die sich für ausgelotete Hintergründe interessieren. Zur Zielgruppenorientierung gehört auch die Wirtschaftlichkeit. Wir haben den Preis ganz bewusst nicht erhöht, denn wir setzen darauf, dass wir die nötige Wirtschaftlichkeit durch eine höhere Auflage erreichen.

Wie sind die ersten Reaktionen auf die erste Ausgabe unter dem neuen Namen?

Heide-Ulrike Wendt:
Das Heft ist fast vergriffen. Die Botschaft von Nitro haben alle verstanden, sie ist unverdünnt bei der Leserschaft angekommen. Nach den Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen in der Redaktion war das natürlich ein großartiger Erfolg. Alle haben uns gratuliert und wir arbeiten deshalb hoch motiviert am nächsten Heft.

Einmal von Nitro losgelöst: Worin sehen Sie persönlich die Potenziale und auch die Gefahren bei einem "Brand Change" für Print-Produkte?

Heide-Ulrike Wendt:
Wir trugen uns schon seit zwei Jahren mit dem Gedanken, den Titel zu ändern. Darin sahen wir das Potenzial, die Leute zu verblüffen. Wir haben auf ihre Neugierde gesetzt und Recht behalten, das Gespür der Leute für eine andere, neue Qualität war groß. Ein erfolgreicher Brand Change muss konsequent sein, damit die Leser nicht das Gefühl haben, dass sich nur die Frisur geändert hat, aber nicht der Verstand darunter. Wir sehen in der Veränderung keine Gefahr, sondern neue Ufer.

Welche Ziele hat Nitro bis Ende 2011?

Heide-Ulrike Wendt:
Weitere Hefte mit opulenten Fotostrecken, gut recherchierten und gut geschriebenen Texten zu Themen unserer Zeit . Für 2011 haben wir uns auch vorgenommen, die Online-Ausgabe komplett zu überarbeiten und ihr den gleichen Stellenwert wie dem Heft zu geben.

Wie schätzen Sie die deutsche Medienszene allgemein ein? Haben wir zu wenig oder zu viele Fachtitel im Offline- und Online-Bereich?

Heide-Ulrike Wendt:
Lesen Sie die Medienanalyse in unserem ersten Heft Nitro, da steht es schwarz auf weiß, dass die Leselust weiter zugenommen hat. Die Leipziger Buchmesse 2011 hatte mehr Besucher denn je, in den Bestsellerlisten stehen Sachbücher ganz oben, die versuchen, unsere immer komplizierter werdende Welt zu hinterfragen und zu erklären. Die Studie zeigt außerdem, was die Leser vor allem wollen: Qualität, und die ist nur über ein großes Spektrum an Zeitungen, Zeitschriften und Büchern zu erreichen. Auch Onlineportale, die nur als Kopiermaschinen von Pressemeldungen fungieren, werden keine Zukunft haben.

Die Fragen an Heide-Ulrike Wendt stellte Oliver Hein-Behrens.