Kugelschreiber für 68.800 Euro: Transparenzgesetz versus Amtsgeheimnis

Nicht schön

Die Journalistenorganisation netzwerk recherche begrüßt die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auch auf die Bundestagsverwaltung anzuwenden. Damit hat ein Journalist teilweise Recht bekommen, der von der Verwaltung wissen wollte, welche Abgeordneten im vorigen Jahr Luxusfüller und Digitalkameras über ihr Anschaffungsbudget von jährlich 12.000 Euro abgerechnet haben.

2009 war laut netzwerk recherche bekannt geworden, dass 115 Parlamentarier zwischen Januar und Oktober insgesamt 396 Füller und Kugelschreiber einer Luxusmarke bestellt und aus Steuergeldern abgerechnet hatten. Dadurch sind Kosten von insgesamt 68.800 Euro angefallen sind. Die Bundestagsverwaltung hatte die Zahlen bestätigt, aber keine Angaben zu den Namen gemacht. Ein formeller Antrag des Journalisten unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz, das jedem Bürger grundsätzlich den Zugang zu Behördeninformationen gewährt, wurde von der Bundestagsverwaltung abgelehnt. Die Verwaltung argumentierte, es würden ansonsten die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Firma offengelegt, die den Bundestag mit Büromaterial beliefert. Außerdem verursache die Herausgabe der Namen und Zahlen einen zu hohen Verwaltungsaufwand. Diese Argumente hielt das Verwaltungsgericht Berlin, das über den Streitfall zu entscheiden hatte, nicht für stichhaltig und gab dem klagenden Journalisten laut Pressemeldung von netzwerk recherche grundsätzlich recht.

Allerdings wurde der Bundestagsverwaltung aufgetragen, alle 617 Abgeordneten der vorigen Legislaturperiode anzuschreiben und sie nach ihrer Zustimmung zu fragen. Nur wenn die Abgeordneten einwilligen, werden ihre Abrechnungen offengelegt. "Die Blockadehaltung der Bundestagsverwaltung ist leider typisch für den Umgang der Behörden mit dem journalistischen Informationsauftrag", so Manfred Redelfs, Experte für Auskunftsrecht der Journalistenorganisation netzwerk recherche. "Viele Ämter haben den Sinn des Transparenzgesetzes bis heute nicht verstanden und halten mit fadenscheinigen Argumenten am Amtsgeheimnis fest, einem Relikt des Obrigkeitsstaates. Gut, dass das Gericht das vorgeschobene Argument, der Verwaltungsaufwand stehe einer Auskunftserteilung im Weg, nicht gelten gelassen hat".

Allerdings kritisiert netzwerk recherche, dass die Verwendung des Büroetats pauschal als personenbezogene Information eingestuft wurde, die laut Informationsfreiheitsgesetz nur nach Zustimmung des Betroffenen freigegeben werden dürfe. "Es geht hier um die Verwendung von Steuergeldern durch Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, nicht um die Frage, was die Abgeordneten in Ihrer Freizeit machen oder von ihrem persönlichem Geld anschaffen", unterstreicht Redelfs.

netzwerk recherche begrüßt es nachdrücklich, wenn Journalisten wie im vorliegenden Fall von ihren Auskunftsrechten Gebrauch machen und sie zur Not auch gerichtlich durchsetzen. Weil das Gesetz leider viele Schwächen und Unklarheiten aufweist, ist es überfällig, seine Reichweite anhand von Musterprozessen auszuloten. "Politikverdrossenheit kann man nicht mit Geheimhaltung begegnen, sondern nur mit mehr Transparenz entgegenwirken", bilanziert Redelfs.