Mehr Werbeproteste durch das das Internet - Öffentliche Rügen in acht Fällen

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Der Deutsche Werberat hat jetzt in Berlin seine Arbeitsbilanz für das Jahr 2010 vorgelegt. Danach hatte das Gremium, dem 13 Experten aller Bereiche der Werbewirtschaft angehören, über Proteste gegen 298 Kampagnen zu entscheiden. Das waren 17 Prozent mehr als im Vorjahr mit 255 kritisierten Plakaten, Spots, Anzeigen und Onlineschaltungen.

Auch die Menge der einzelnen Beschwerden aus der Bevölkerung ist stark gestiegen - um mehr als die Hälfte oder 55 Prozent auf 907 Eingaben. Ein Jahr zuvor waren es erst 584 Proteste von Konsumenten gegen kommerzielle Kommunikation. Dazu der Vorsitzende Hans-Henning Wiegmann: "Wir sehen in diesem Ergebnis vorerst noch keinen wesentlichen Grund zur Besorgnis, Unternehmen würden im harten Wettbewerb häufiger zu Grenzüberschreitungen in ihrer Werbung greifen".

Treiber der Statistik seien insbesondere zwei Zusammenhänge:

- Während im Jahr 2009 nur 19 Werbesujets im Internet kritisiert wurden, kamen sie in diesem Mediensektor 2010 auf 50 Fälle. Ursache dafür ist der weitere Anstieg der technischen Nutzung. Auch das vom Werberat eingeführte neue elektronische Beschwerdeformular erleichtere generell Poteste an das Gremium. Es sei davon auszugehen, dass mit der Zunahme digitaler Endgeräte die Werbung dort stärker in den werbekritischen Fokus rückt.

- Die Verbreitung der digitalen Netze spiele auch eine Rolle beim Anstieg von Protesten mit dem Vorwurf der Frauendiskriminierung auf 116 Kampagnen (Vorjahr: 90).

Hinzu komme mangelnde Professionalität kleinerer Unternehmen im Netz, die meinten, 'Aufmerksamkeit' für eine Werbeaktion sei bereits gelungene Markt-Kommunikation. "Werbung muss zumutbar bleiben", so Wiegmann. Die Würde von Menschen sei unantastbar. Für diesen Grundsatz werde sich der Werberat verstärkt auch in Sachen Werbung im Internet einsetzen.

Bei 298 Kampagnen teilte der Werberat in 89 Fällen die Kritik der Beschwerdeführer. Daraufhin nahmen die betroffenen Unternehmen ihre beanstandete Werbung vom Markt (63) oder änderten sie (18). "Diese hohe Durchsetzungsquote von mehr als 90 Prozent unterstreicht die Autorität des Werberats in der Wirtschaft", sagte Wiegmann.

In nur 8 Fällen musste der Werberat in den Massenmedien eine 'Öffentliche Rüge' verbreiten, weil die Firmen sich zunächst einer Korrektur ihrer Werbung widersetzten. Dabei handelte sich um deine Discothek, die zwei Plakate mit Frauenunterleib und gespreizten Beinen zeigte, ein Plakat mit dem Text "Die Liköre Ficken und Orgasmus für nur 1,- Euro", eine Anzeige für künstlichen Fuchsbau mit nackter, auf Betonröhre kriechender rothaariger Frau, Text dazu: "Jäger stehen drauf, Füchse sowieso", eine Werbung für Fahrrad-Schutzbleche mit Rückseite einer Frau in Unterwäsche, Text: "Was Hartes für hinten", eine Werbung für eine Kampfkunst-Schule mit einem blutig geschlagenes Gesicht des Gegners, eine Internetwerbung für Bier wie "Ein flüssiger Seelsorger, der so manche Last des Alltags vergessen lässt" und - der eindeutige medienmilch.de-Favorit des schlechten Werbegeschmacks - ein Getränkehändler mit dem Werbespruch "Sagt der Stefan zu der Uschi: Ich steh auf Deine kalte Muschi! Die Uschi haut ihm eine rein, mit keinem teilt sie Cola und Wein.".

Freigesprochen hat das Gremium 209 Werbemaßnahmen, weil Proteste dagegen überzogen oder zu weit weg von der aktuellen Lebensrealität waren. So empörte sich ein Beschwerdeführer über einen Radiospot, der die verdauungsfördernde Wirkung des beworbenen Müslis anpries. Er habe die Werbung während seines Mittagessens gehört, da sei ihm der Appetit vergangen.