Vor über 50 Jahren wurde in Deutschland der erste Werbespot für Persil im Fernsehen ausgestrahlt. Seitdem ist das Medium Teil des alltäglichen Lebens in Deutschland geworden. Wirft man einen Blick auf die heutige Zeit, sieht man, dass sich die Art, wie Marken Kunden ansprechen, von Grund auf verändert hat. In den letzten zehn Jahren ist gemeinsam mit dem Videokonsum auf allen Geräten die zugehörige Werbebranche angewachsen. Tatsächlich lautet die Prognose im neuen Bericht von ZenithOptimedia, dass die weltweit täglich mit Videokonsum verbrachte Zeit dieses Jahr um 20 % zunehmen wird. Erkenntnisse von Ofcom bestätigen, dass immer mehr Zeit online verbracht wird. Aber auf die Frage, welches ihrer Geräte sie am meisten vermissen würden, gaben 37 % der Erwachsenen ihren Fernseher vor allen anderen Geräten an.
Die digitalen Medien, insbesondere Video, wurden bereits besonders stark von der programmatischen Technologie beeinflusst und viele erwarten in den nächsten 2-3 Jahren fundamentale Veränderungen der Art und Weise, wie TV-Werbung eingekauft und verkauft wird. Programmatic TV ist dabei derzeit eines der wichtigsten Schlagwörter in der Branche. Während es in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, hat es in den USA bereits große Entwicklungen in diesem Bereich gegeben und in Großbritannien werden derzeit die ersten Schritte unternommen. Bemerkenswert ist dabei, dass aktuell ein Standard mit Best Practices für den Einkauf von Linear-TV-Inventar und geräteübergreifende Messungen entwickelt wird. Gründungspartner sind dabei Unternehmen wie Hulu, TiVo Research, CBS, Fox, Omnicom Media Group, SpotX, GABBCON und DataXu.
Obwohl Programmatic TV bereits in weitere Facetten aufgegliedert wird, kann es weitgehend in drei Gruppen unterteilt werden:
Programmatic Linear TV:
Lineares Fernsehen bezieht sich auf traditionelles Fernsehen, bei dem Verbraucher zu einer bestimmten Zeit auf einem bestimmten Kanal des Senders Inhalte konsumieren. Die Inhalte werden gleichzeitig vielen Personen bereitgestellt, d. h. alle Verbraucher schalten das gleiche Programm ein und sehen den gleichen Werbespot. Werbung für Programmatic Linear TV wird über eine automatisierte Plattform eingekauft und über Set-Top-Boxen empfangen. Targeting und Reporting beruhen auf traditionellen TV-Kennzahlen (Tagesabschnitt, Netzwerk, GRP).
Adressierbares Fernsehen:
Individuell ausgewählte Haushalte empfangen mit Set-Top-Boxen über Satellit und Kabelanbieter wie Sky adressierbares Fernsehen. Die Inhalte werden gleichzeitig vielen Personen bereitgestellt, ein Teil der Zuschauer des gleichen Programms sieht jedoch einen anderen Werbespot als ihre direkten Nachbarn. Üblicherweise werden eigene Daten oder Daten von Drittparteien für das Targeting verwendet. Das Reporting basiert häufig auf einer Mischung aus traditionellen Kennzahlen und digitalen Videokennzahlen sowie Online- und Offline-Ergebnisse (Website-Aktivität, Branding, Vertrieb).
Connected TV:
Connected TV wird über mit dem Internet verbundene Fernseher (Smart-TVs) oder sogenannte Over-the-Top(OTT)-Geräte wie Xbox, Playstation oder Apple TV bereitgestellt. Connected-TV-Inhalte werden häufig über Apps wie die 7TV App oder Eurosport abgerufen. Die Inhalte werden individuell bereitgestellt, wobei die Werbeinhalte speziell an jeden einzelnen Haushalt auch angepasst sind, sodass normalerweise jeder Haushalt unterschiedliche Werbespots sieht. Reporting basiert auf digitalen Videokennzahlen (Abrufe, Häufigkeit, Abschlussrate).
Damit sich die Formen des Programmatic TV in Deutschland überhaupt weiterentwickeln können, muss zunächst verstanden werden, wie es in Europa definiert wird und welche Hindernisse es unter Umständen bei der Übernahme durch Werbekunden geben kann. Um Fernsehen programmatisch einkaufen und verkaufen zu können, müssen alle Teile des Puzzles zusammengefügt werden. Das Fernsehen ist nur ein Medium und sollte nicht isoliert betrachtet werden. Heutzutage zielen Werbetreibende mehr auf Zuschauer als auf Programme ab. Es werden immer mehr geräteübergreifende Technologien eingesetzt, die für Werbetreibende die ultimative Lösung zur Identifizierung von Einzelpersonen und Erstellung eines Gesamtbildes von Verbraucherverhalten auf allen Geräten (einschließlich TV) darstellen.
Eine weitere zu lösende Herausforderung liegt in der Datenerfassung. Die meisten deutschen Sender verfügen noch nicht über die Infrastruktur für automatisiertes Targeting auf Abrufebene mithilfe von Set-Top-Boxen und sind daher bei der Datenerfassung und Umsetzung von Lösungen für adressierbares Fernsehen noch sehr eingeschränkt. Tatsächlich gibt es bei der Datenerfassung unterschiedliche mögliche Resultate. ProSieben hat beispielsweise über seine App 7TV Zugriff auf verbundene Daten, sodass App-Benutzer mit gezielter Werbung angesprochen werden können. Dennoch kann ProSieben diese gezielte Werbung nicht über die Fernsehgeräte der Benutzer in deren Haushalte bringen. Sky dagegen verfügt über die Infrastruktur zur Übertragung gezielter Werbung über das Fernsehgerät in die Wohnzimmer der Benutzer.
Zu guter Letzt fehlt es der Branche an gemeinsamen technischen Standards. Medienunternehmen haben ihre eigenen Standards geschaffen, was die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen erschwert. Um sich weiterentwickeln zu können, müssen die beiden Industriezweige Werbetechnik und Übertragung gemeinsame Grundlagen festlegen. Wie bereits erwähnt, sind die angekündigten Standards ein Schritt in die richtige Richtung. Damit diese sich aber als globale Standards durchsetzen, ist die grenzübergreifende Übernahme unerlässlich. Werbetreibende müssen realisieren, dass der Teufel im Detail steckt. Nur so können sie diese Revolution in der TV-Werbung vollständig verstehen und nutzen.
Man muss jedoch betonen, dass nicht alle Formen des Programmatic TV gleich sind. Wie bereits dargelegt, werden zurzeit die Begriffe Programmatic Linear TV, adressierbares TV und Connected TV verwendet. Alle Arten von Programmatic TV ermöglichen es Werbetreibenden, an den Geschmack des Zuschauers angepasste Werbung zu zeigen. So könnte beispielsweise einem Zuschauer in seinem Wohnzimmer ein BMW-Werbespot gezeigt werden, während seine direkten Nachbarn, die zur gleichen Zeit das gleiche Programm schauen, einen Werbespot von Aldi sehen. Programmatic TV ermöglicht es Plattformen wie DataXu, auf der Grundlage umfangreicher, in Echtzeit gesammelter und verarbeiteter Datensätze erstellte relevantere Werbeanzeigen über einzelne Set-Top-Boxen oder mithilfe verbundener Geräte und Apps bereitzustellen.
Es hat noch weitere interessante Entwicklungen gegeben, z. B. automatisierte Massenkäufe von TV-Zuschauern oder die Verbindung von TV- und digitalem Publikum. Diese bieten zwar Werbetreibenden, Inhaltsanbietern und Sendern bestimmte Vorteile, es ist aber wichtig, diese nicht als Programmatic TV zu bezeichnen.
Programmatic TV steckt noch in den Kinderschuhen. Damit es wachsen kann, bedarf es diesbezüglicher Bildung sowie der Überwindung von Herausforderungen auf technischer und auf Datenebene. Damit wir uns gemeinsam weiterentwickeln können, sollten wir uns in Bezug auf die zu verwendenden Begriffe einig sein ohne noch mehr Verwirrung zu stiften- immerhin haben Werbetreibende bereits genügend technische Schlagwörter. Durch Zusammenarbeit und das gemeinsame Führen gehaltvoller Diskussionen über den Mangel an Infrastruktur und gemeinsamen technischen Standards können wir alle vom Fortschritt des Programmatic TV in Deutschland in den kommenden Jahren profitieren.
(Berit Block, Marketing Directorin Europe von DataXu)