Erschreckend: 40 Prozent der Deutschen petzen gerne

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Die chinesische Regierung will 2020 ein datenbasiertes „Social-Credit-System“ einführen, welches das Verhalten der Bürger bewertet.

Die „gut“ Bewerteten erhalten etwa bessere Kredite und Bonuszahlungen, die „schlecht“ Bewerteten können z.B. keine Zug- oder Flugtickets kaufen. Peking möchte so seine Bürger zu besseren Menschen erziehen. Kritiker befürchten, dass die Privatsphäre dadurch verletzt und die Gesellschaft umfassend überwacht wird. Wie die Deutschen zu einem System stehen, das Daten sammelt und darauf aufbauend gutes Verhalten belohnt und schlechtes bestraft, hat YouGov nun in Kooperation mit dem SINUS-Institut in einer repräsentativen Studie erhoben.

Klare Absage an Überwachungsstaat, aber ...

Die deutliche Mehrheit der Deutschen (68 %) lehnt ein „Social-Credit-System“ wie es die chinesische Regierung 2020 landesweit im bevölkerungsreichsten Land der Erde einführen möchte demnach ab, lediglich jeder Sechste (17 %) befürwortet ein solches soziales Bewertungssystem. Mehr Anklang findet hingegen die dahinterliegende Idee der Bewertung sozialen Verhaltens: 40 % der Deutschen fänden es gut, wenn sie das Verhalten der Menschen in ihrem Umfeld positiv oder negativ bewerten könnten. Fast genauso viele (39 %) haben auch kein Problem damit, wenn sie selbst durch Andere bewertet würden. Das zeigen Ergebnisse einer Umfrage des SINUS-Instituts in Kooperation mit YouGov.

Die Jüngeren stehen „Social Scoring“ am skeptischsten gegenüber

Im Altersvergleich steht die junge Generation (18 bis 24 Jahre) der Vorstellung sozialer Kontrolle kritischer gegenüber. In dieser Gruppe fänden es nur 30 % gut, ihren Mitmenschen Punkte für soziales Verhalten zu geben. Die Altersgruppen darüber sind der Idee gegenüber positiver eingestellt (25 bis 34 Jahre: 41 %, 35 bis 44 Jahre: 38 %, 45 bis 54 Jahre: 41 %, 55 Jahre und älter: 42 %).

Jeder Sechste befürwortet sogar eine Bestrafung von „schlechtem“ Verhalten

Angenommen es gäbe ein soziales Bewertungssystem nach chinesischem Vorbild in Deutschland, ist jeder sechste Deutsche (18 %) der Ansicht, Menschen mit niedriger Punktzahl sollten gewisse staatliche oder privatwirtschaftliche Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen können bzw. bestraft werden. Doch welche Strafen finden die Befürworter angemessen? Am offensten stehen die Deutschen der Möglichkeit gegenüber, dass Unternehmen Kunden mit schlechtem Ranking ablehnen können (36 %). Höhere Steuern (33 %) und Geldstrafen (32 %) finden sich an zweiter und dritter Stelle der von den Befürwortern einer Bestrafung präferierten Sanktionen. Die deutliche Mehrheit (70 %) spricht sich gegen eine derartige Sanktionierung im Falle niedriger Punktzahlen aus.

Ein Viertel befürwortet Belohnung von konformen Verhalten

Die Belohnung von "gutem" konformen Verhalten in einem solchen Bewertungssystem wird von einem etwas höheren Anteil der Deutschen (25 %) befürwortet, z.B. schnellerer Zugang zu Konsumkrediten, Beförderungen, Bearbeitung von Amtsvorgängen oder bessere Bildungschancen. Jedoch lehnt eine deutliche Mehrheit (64 %) auch eine Bevorteilung von Personen mit hohem Punktestand ab.

Deutsche sehen in „Social Scoring“ eher für sich persönlich Vorteile als für die Gesellschaft

Bei der Einschätzung, ob ein soziales Bewertungssystem in Deutschland eher für einen selbst oder die Gesellschaft von Vorteil wäre, ist knapp ein Viertel (23 %) der Befragten der Ansicht, dass sie persönlich von solch einem System profitieren würden. Vorteile für die Gesellschaft als Ganzes sieht hingegen nur jeder Zehnte (10 %). 43 % geben an, dass ein soziales Bewertungssystem in Deutschland gesamtgesellschaftlich Nachteile brächte, aber nur mehr als jeder Vierte (27 %) sieht für sich persönliche Nachteile.

Befürchtete Nachteile: Falschbewertungen, Misstrauen und Rufschädigung

Auf die Frage, welche Nachteile ein Social-Credit-System mit sich bringen könnte, sehen 61 % inkorrekte Bewertungen als die größte Gefahr. 55 % geben an, dass sich das Misstrauen der Bevölkerung untereinander nachteilig auswirken kann. Die Hälfte (50 %) sieht eine potenzielle langfristige Stigmatisierung und Rufschädigung durch die Speicherung negativer Daten als Nachteil. Lediglich 24 % sehen Konformität oder Gleichschaltung als Nachteil und 6 % sehen keine Nachteile eines solchen Systems.