"Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus" vergeben

Top-Kampagne

Den mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis der Otto Brenner Stiftung erhält das Autorenduo Volker ter Haseborg und Lars-Marten Nagel für ihre Berichterstattung über die Wohnungsgesellschaft Gagfah.

Die intensiv recherchierten Beiträge der Autoren, die zwischen April und Juli im "Hamburger Abendblatt" erschienen sind, analysieren, wie ein amerikanischer Hedgefonds aus ehemals staatlichem Immobilienbesitz größtmögliche Profite herausschlägt - auf Kosten der Bewohner.

Die Autoren zeichnen den verschlungenen Weg der Millionengewinne nach, die aus der Misere vor Ort geschöpft werden. Sie kritisieren die Hilflosigkeit der Politiker, spüren dem Insiderhandel der Konzernmanager nach und geben Hinweise, wie sich Mieter gegen den Raubbau wehren können. "Die Artikelserie ist ein Vorbild für engagierten Journalismus, der aufklären und bewegen will", begründet die Jury ihre Wahl und unterstreicht, dass die Autoren "Kopf und Herz des Lesers" ansprechen.

Mit dem 2. Preis (Preisgeld 5.000 Euro) werden außerordentliche und spektakuläre Recherchen zur Affäre der HSH Nordbank ausgezeichnet. In einer Serie von Artikeln, die im "Spiegel" erschienen sind, wurde u.a. aufgedeckt, dass die staatseigene Bank für ein Millionen-Honorar eine Privatdetektei angeheuert hat, um Vorstandsmitglieder überwachen zu lassen. Manager wurden nach fingierten "Beweisen" fristlos entlassen - später musste die Bank auf Kosten des Steuerzahlers millionenschwere Entschädigungen an die Opfer zahlen. Diesem "Abgrund aus Unmoral und Hybris" haben die "Spiegel"-Redakteure Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch und Jörg Schmitt nach Einschätzung der Jury "mit größter Hartnäckigkeit nachgespürt". Nach Auffassung der Jury ist die Artikelserie über die ungeheuerlichen Vorgänge bei der HSH Nordbank "bester Recherche-Journalismus, wie er dringend gebraucht wird".

Mit dem 3. Preis (Preisgeld 3.000 Euro) wird Ursel Sieber ausgezeichnet. Ihr Buch "Gesunder Zweifel" ist nach Meinung der Jury "meisterhaft recherchiert". In dem Buch geht es u.a. um den Einsatz des leidenschaftlichen Arztes Peter Sawicki gegen die Selbstbedienungspraktiken der Medizinindustrie. Ursel Sieber, so die Jury-Begründung, "leistet vorbildliche Aufklärung über die dunkle Seite der Lobby-Macht im deutschen Gesundheitswesen".

Gewinnerin des "Spezial"-Preises ist Katja Thimm. Ihr prämierter Beitrag "Vaters Zeit" verbindet die Schwierigkeiten, die sie bei der Pflege ihres Vaters erlebt hat, mit den Erfahrungen, die die Generation der Kriegskinder traumatisiert hat. Für die Jury ist ihr Beitrag nicht nur "ein journalistisches Gemälde all dieser Nöte", sondern ein "Kunstwerk". Sie schreibe "zart, leidenschaftlich und präzise, empfindsam und sachlich". Der Text, erschienen im "Spiegel", ist für die Jury "ein wunderbares Beispiel für die Poetik des Journalismus". Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Mit dem "Newcomerpreis", der auf besondere Nachwuchstalente aufmerksam machen will, wird Jonathan Stock ausgezeichnet. Dass es ihm gelungen ist, den misstrauischen Dschihadisten "Peter" zu Gesprächen mit einem Journalisten zu bewegen, ist für die Jury schon "eine große Leistung". In "Peters Traum", erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, zeichnet Stock mit "literarischer Eleganz und journalistischer Präzision" das Bild eines deutschen Konvertiten. Die Jury lobt die "erstklassige Dolmetscherleistung", die dem Newcomer gelungen ist. "Erst recht die inhaltliche und stilistische Formvollendung", mit der der 28-Jährige Jonathan Stock ein Porträt geschrieben hat, "ist aller Ehren wert", urteilt die Jury über einen Newcomer, "von dem man noch vieles hören wird". Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert.

Einmal im Jahr zeichnet die OBS auch innovative und wegweisende Medienprojekte aus. 2011 geht der "Medienprojektpreis", dotiert mit 2.000 Euro, an Sebastian Pantel für seine Artikelserie über "Jugend und Kriminalität". Die Serie, die im "Südkurier" erschienen ist, "schürft tief und rüttelt auf", begründet die Jury ihre Entscheidung. Sie widerlege gängige Vorurteile und zeige Wege auf, wie mit Jugendkriminalität besser als bisher umgegangen werden könne. Für die Jury ist die Serie "ein systemrelevantes Medienprojekt von herausragender Qualität". Sebastian Pantel, so die Jury, habe ein "Spitzenprodukt journalistischer Aufklärung" geschrieben und zusammengestellt.

In Kooperation mit "Netzwerk Recherche" (www.netzwerkrecherche.de) werden von der Otto Brenner Stiftung zusätzlich mit jeweils 5.000 Euro dotierte Recherche-Stipendien vergeben. Mit den Stipendien soll den Preisträgern die Möglichkeit gegeben werden, frei von ökonomischen Zwängen und mit professioneller Begleitung von erfahrenen "Mentoren" ihre Projektthemen recherchieren zu können. 2011 hat die Jury vier Stipendien vergeben. Um den Erfolg ihrer investigativen Recherchen nicht zu gefährden, werden zwei Preisträger mit ihren Themen erst nach Abschluss der Arbeiten öffentlich gemacht. Die beiden anderen Stipendien gehen an Urs Spindler, der sich mit der Eulex-Mission im Kosovo beschäftigt, und an Matthias Dell, der der Frage nachgeht, ob in der rechtskonservativen Tea-Party-Protestbewegung in den USA ein Muster zu erkennen ist, das auch auf Deutschland übergreifen könnte.

Die Otto Brenner Stiftung verleiht 2011 zum siebten Mal den "Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus". Prämiert werden journalistische Arbeiten, die das Motto der Ausschreibung "Gründliche Recherchen statt bestellter Wahrheiten" herausragend umgesetzt haben. Aus 546 Bewerbungen wählte die Jury am 28. September die Preisträger in fünf Kategorien.